PLENUM 101. Sitzung, 09. November 2005
TOP 5: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften
Drucksache 13 / 4768
Gesetzentwurf der Landesregierung
Frau Präsidentin
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Ich gebe es zu: Als wir hier in diesem Hohen Hause am 1. Juli 2004, also vor über einem Jahr über Perspektiven für die zukünftige Entwicklung des Truppenübungsplatzes Münsingen und über Naturschutz eben dort diskutierten, war mein Redebeitrag von mehr Skepsis geprägt, als er heute ist. Aber wer konnte damals ahnen, dass der langjährige Ministerpräsident aus dem Amt gedrängt würde und dass damit endlich der Weg frei wird, das Bundesnaturschutzgesetz in ein Landesgesetz umzusetzen! Dass es jetzt so zügig in die Umsetzung geht, ist zu begrüßen.
Unseren Antrag vom 19.04.2004, bei dem wir forderten:
„1. dem Landtag eine konkrete Planung für eine Unterschutzstellung des Gebietes
vorzulegen;
2. dabei den TÜP Münsingen als Schutzgebiet innerhalb eines größeren Schutzgebietes vorzusehen, z. B. eines Entwicklungsnationalparks oder eines Biosphärenreservates gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz“
haben Sie mit Ihrer Mehrheit abgelehnt. Wenn Sie heute nun diesen Forderungen nachkommen, so freut uns das. Noch mehr würden wir uns freuen, wenn Sie das so auch sagen würden!
Was bisher insbesondere von kommunaler Seite angedacht und vorangetrieben wurde kann sich sehen lassen: Von den Städten Münsingen und Bad Urach sowie der Gemeinde Römerstein die Erklärung, einer Ausweisung eines Biosphärengebietes zuzustimmen und unter Federführung des Landrates in Zusammenarbeit mit den Behörden den Projektantrag voranzutreiben.
Von Seiten des Landes wird auch agiert: Eine Lenkungskommission wurde eingerichtet und auch ein Fachbeirat hat schon getagt.
Alle sind sich einig: Hier handelt es sich um ein UNESCO – Schutzgebiet, von denen es in 57 Ländern weltweit 459 gibt. In dieser Modellregion kann aufgezeigt werden, wie Mensch und Natur sich weiterentwickeln. Die Menschen in unserer Region sehen die Ausweisung als Biosphärengebiet insgesamt positiv und als Chance. Sie sind durch das Landesprogramm PLENUM und das Bundesprogramm „Regionen aktiv“ mit der Entwicklung eines solchen Gebietes von „unten nach oben“ vertraut und haben verstanden, was Schützen durch Nützen bedeutet. Sie sind sich bewusst, dass eine landwirtschaftliche Nutzung in der Kernzone – 3% der Gesamtfläche – nicht möglich ist. Aber das ist nicht so tragisch, weil man da splitterbelastete Gebiete einplant, die ohnehin kontaminiert sind und die nicht von Munitionsresten befreit werden können.
Vor Ort sieht man die Chancen im Tourismus, die das Label „Einziges Biosphärengebiet in Baden-Württemberg“ als Markenzeichen mit sich bringen kann. Da Urlauber immer mehr Wert auf eine intakte Landschaft legen, kann sich die Schwäbische Alb mit diesem Alleinstellungsmerkmal weiter profilieren.
Ende dieses Sommers habe ich eine geführte Fahrradtour über den Truppenübungsplatz organisiert und ich sage Ihnen: Die Landschaft ist überwältigend, Sie können stundenlang unterwegs sein und merken nichts von Zivilisation und was am meisten beeindruckt: Sie können die Stille hören!
Nun ist die Verabschiedung eines Gesetzes eine Sache, die Umsetzung danach aber eine ganz andere.
Bei genauer Nachfrage steht das ganze Projekt unter dem Vorbehalt der Finanzierung. Ohne ausreichende Dauerfinanzierung wird das Projekt Makulatur bleiben: Nach ersten Berechnungen braucht es mindestens 10 hauptamtliche Kräfte, die den Platz pflegen und Besucherströme lenken sowie zusätzliche Gelder um Projekte durchführen zu können. Das heißt unter 1 Million Euro jährlich ist das Ganze nicht zu machen. Zur Finanzierung schwirren unterschiedliche Zahlen – und bei den Verantwortlichen unterschiedliche Vorstellungen und Forderungen umher.
Da wird von Landesseite gerne auf die Verantwortung des Bundes verwiesen. Die Grünen sprachen in ihrem Antrag vom Juli 2003 das Bundesprogramm für Naturschutzgroßprojekte an, die es beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) geben soll, der frühere Landrat Dr. Wais nannte in einer Pressemeldung vor ca. einem Jahr die Zahl 8 Millionen €.
Nun laufen die Überlegungen und wohl auch schon ein Antrag des Ministeriums für Ländlichen Raum und Landwirtschaft an die Landesstiftung, sich in eine Unterstiftung einzubringen, eine Unterstiftung, die jährlich 1 Million € abwirft, also ein Volumen von mindestens 20 Millionen haben sollte! Genaues weiß man nicht! Was zahlt der Bund? Was bringt das Land?
Wir fordern eine rasche Offenlegung dieser Zahlen und eine Klärung des rechtlichen Zustands. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Landesstiftung im Rahmen ihrer Möglichkeiten hier mitfinanziert. Aber man muss wissen, dass eine Unterstiftung deswegen eine rechtlich äußerst komplizierte Angelegenheit und schwierig zu konstruieren ist, dass eine Dauerfinanzierung nicht möglich sein kann, weil Staats- bzw. gesetzliche Aufgaben nicht durch die Stiftung erledigt werden dürfen. Ein dankbares Feld für Juristen und Steuerprüfer tut sich hier auf – Ausgang offen!
Deswegen muss ich – auch wenn wir als SPD – Fraktion die Neuordnung des Naturschutzrechtes insgesamt befürworten, meiner Forderung Nachdruck verleihen, die ich am 1. Juli vergangen Jahres an dieser Stelle gemacht habe:
Wir haben nun ein Konzept, jetzt fehlt noch das Entscheidende: das Geld.
Aber vielleicht hat ja der Ministerpräsident bei seinem angekündigten Besuch im Januar seine Schatulle dabei. Der von der Konversion gebeutelten Region ist das zu wünschen!