Rede zum Sitzenbleiben

Abg. Klaus Käppeler SPD: Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Einmal mehr mussten wir in dieser Debatte erleben, worum es Ihnen in der Bildungspolitik in den letzten 60 Jahren ging. Was zählte war Leistung, Leistung, Leistung, 

(Abg. Dr. Monika Stolz CDU: Ist das schlimm?)

koste es was es wolle. Wer diese nicht erbrachte, wurde aussortiert, an den Rand gestellt, abgeschult.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Widerspruch bei der CDU – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Wer hat denn das Förderschulsystem entwickelt? Sie wollen die Förderschulen abschaffen! Mein Gott!)

Was Sie hier suggerieren ist jedoch liebe Kollegen von der FDP/DVP: Die FDP steht für das Leistungsprinzip, die grün-rote Landesregierung hingegen für Kuschelpädagogik,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Genau!)

oder anders ausgedrückt: Die FDP ist gleichzusetzen mit dem wirtschaftlichen Erfolg unseres schönen Bundeslandes, Grün-Rot will das kaputtmachen. So einfach ist ihre Logik.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! Sehr richtig!)

Sehr geehrte Damen und Herren, so einfach ist die Welt nicht, Sie wissen das, und die Bürgerinnen und Bürger wissen das auch!

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Lassen Sie mich eine Anmerkung zum Titel der heutigen Debatte machen, in der sich Herr Dr. Kern so künstlich aufgeregt hat. Aufsehen erregen um jeden Preis, um jeder Schlagzeile willen, nach dem Motto: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert“! Wann und wo hat Minister Andreas Stoch gesagt, er schaffe das Sitzenbleiben ab?

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Nirgends! – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Das habe ich doch zitiert!)

Ich habe ein SWR – Radiointerview gehört, in dem er ausführlich darüber sprach, dass das Sitzenbleiben überflüssig gemacht werden soll. Und zwar nicht heute und sofort, sondern in einer Übergangszeit von zehn bis 15 Jahren.

(Abg. Peter Hauk CDU: Das war aber sehr missverständlich! Die Presseberichte waren anders! Zurufe von der FDP/DVP)

Doch jetzt zurück zu Ihrer Sorge, es gäbe keine Leistungsanreize mehr. Tatsächlich steht Baden-Württemberg im Leistungsvergleich der Bundesländer untereinander ja sehr gut da. In Sachen Chancengerechtigkeit sieht es hier im Land immer noch düster aus. Hier sind wir eines der Schlusslichter. Und eines der Mosaiksteinchen in diesem ungerechten Bildungssystem, meine Damen und Herren auf den Oppositionsbänken, ist eben das Instrument des Sitzenbleibens. Diejenigen, die sich teure Nachhilfestunden nicht leisten können, sind eher betroffen als Kinder aus dem sogenannten Bildungsbürgertum.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Stammt aus einer alten Zeller-Rede!)

Wer nicht mitkommt, der muss eben aussortiert werden, der darf eine Ehrenrunde drehen. Aus Sicht des Kindes ist es aber mit der Ehre nicht weit her. Ein Kind wird ein Sitzenbleiben immer als Bestrafung, als Niederlage und als Kränkung der Persönlichkeit empfinden. Es wird aus seinem Klassenverband herausgerissen und nicht selten gelingt es den Kindern nur schwer oder gar nicht, in der neuen Klasse Fuß zu fassen. Das sage ich Ihnen auch, Herr Dr. Kern, als Gymnasiallehrer. Das wissen Sie nicht, weil diese Kinder nämlich anschließend nicht mehr bei Ihnen sind, sondern in der Realschule und in der Hauptschule.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ein Grund, weshalb viele Kinder mit dem Wiederholen der Klasse gleich die Schule wechseln, ist, um der Schmach zu entgehen, den ehemaligen Mitschülern voller Scham auf dem Pausenhof zu begegnen und nicht mehr dazuzugehören. Häufig wird dieses Gefühl der Niederlage noch verstärkt durch die elterliche Enttäuschung darüber, dass das eigene Kind das Klassenziel nicht erreicht hat, wie es so schön heißt.

There is no time for losers, because we are the champions

(Beifall des Abg. Thomas Marwein GRÜNE)

Dabei wissen wir längst, dass sich die Leistungen beim Wiederholen einer Klasse in den meisten Fällen nur punktuell verbessern. Im ersten Jahr der Wiederholung stellt sich oft eine Besserung der Noten ein. Klar: Der Stoff wird ja zum wiederholten Mal gepaukt. Viele Sitzenbleiber drehen aber wenige Jahre später ein weiteres Mal die Ehrenrunde. Es genügt also nicht, einfach eine Klasse zweimal zu besuchen.

(Zuruf des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU)

Man muss schon genauer hinschauen, um die Gründe für schlechte schulische Leistungen auszumachen. In den meisten Fällen sind es nicht mangelnde Fähigkeiten, die schlechte Noten produzieren, oft sind schlechte Noten ein Ergebnis mangelnder Motivation oder schlicht des falschen Lernansatzes. Hier kann und muss frühzeitig gegengesteuert werden, denn kein Kind möchte sitzenbleiben oder legt es gezielt darauf an. Kinder, die im jetzigen System versetzungsgefährdet sind, müssen von den betreuenden Lehrern eng an die Hand genommen werden, sie brauchen im besten Wortsinn Hilfe dabei, sich selbst helfen zu können. Mehr die Hand und weniger die Stirn.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Alles richtig!)

Unser Ziel muss und wird es also sein, durch individuelles Fördern ein Sitzenbleiben überflüssig zu machen. Auch wird es nicht ohne ein engeres Miteinander von Schule und Elternhaus gehen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Auch richtig!)

Oft sind die Gründe für schulisch schlechte Leistungen ja auch im persönlichen Umfeld zu finden, in Problemen im Elternhaus, Mobbing durch Mitschüler oder Ähnliches. Dann gilt es für den Lehrer oder die Lehrerin, sehr genau hinzuschauen, hier kann auch ein Frühwarnsystem vergleichbar jenem an den Gemeinschaftsschulen hilfreich sein.

Ausdrücklich betone ich nochmals, dass wir kein Verbot des Sitzenbleibens, keine Schulgesetzänderung planen. Da sind wir mit Ausnahme der Gemeinschaftsschule noch meilenweit davon entfernt. Was Sie für den Kindergarten und die Grundschule eingeführt haben, setzen wir in der Sekundarstufe fort! ich werde dazu in der zweiten Runde noch etwas sagen.

Erlauben Sie mir einen Appell zu Schluss: Meine sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition. Stellen Sie Ihre Kampfrhetorik ein.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Verunsichern Sie nicht mit verkürzten oder mit falschen Zitaten die Bevölkerung. Bleiben Sie einfach auf dem Teppich.

(Beifall bei den Grünen und der SPD) Zu einem späteren Zeitpunkt der Debatte erwidert Klaus Käppeler für die SPD-Fraktion:

Abg. Klaus Käppeler SPD: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehe noch einmal auf den von Ihnen immer wieder geäußerten Vorwurf der „Kuschelpädagogik“ ein. Sie werfen uns vor, wir würden die Kinder in Watte packen und sie nicht adäquat auf die Anforderungen einer Leistungsgesellschaft vorbereiten.

(Abg. Karl Klein CDU: So ist es!)

Das Gegenteil ist der Fall. In unseren Augen kann ein junger Mensch nur dann in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren bestehen, wenn er zuvor ein stabiles, gesundes Selbstbewusstsein ausgebildet hat und wenn auch sein Charakter Zeit hatte, sich ausbilden zu dürfen, wenn er Mensch werden durfte und nicht nur Verfügungsmasse unserer Volkswirtschaft. Ein solches Selbstbewusstsein gewinnt jedoch niemand durch beschämende Instrumente wie das Sitzenbleiben.

(Beifalle bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Wenn der Vorsitzende des Philologenverbandes sauer auf die grün-rote Bildungspolitik reagiert, dann lade ich ihn gern einmal in eine „Blümchenschule“ ein, in der den Kindern vorgegaukelt wird, das Leben sei ein „Ponyhof“ – so wurde er zitiert. Dabei sieht er und sehen vielleicht auch andere, wie die Kollegen an den Grundschulen mit Heterogenität umgehen.

Vielleicht gibt er anschließend zu, dass es ihm in Wirklichkeit nur darum geht, seine Gymnasiasten von der rauen, ungerechten und unsozialen Lebenswirklichkeit abzuschotten, damit diese unter Ihresgleichen bleiben können. Dann erfahren wir, welche Schulart tatsächlich eine „Blümchenschule“ ist!

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das müssen Sie mir noch einmal erklären! Das habe ich nicht verstanden!)

Liebe Kollegen von der FPD/DVP, ich kann mir die Anmerkung nicht ersparen: Heute zu diskreditieren, den politischen Gegner verunglimpfen, morgen zu behaupten, man sei schon immer dafür und übermorgen zu erklären, das Ganze sei eine liberale Erfindung – – Gerne liefere ich Ihnen einige Beispiele für diese Strategie: Atomausstieg, Mindestlohn, -darüber haben wir heute schon debattiert. Sie verstehen also schon, dass wir Sie nur bedingt ernst nehmen können. Denn bei der Gemeinschaftsschule oder Sitzenbleiben werden auch Sie sich eines Tages auch der Vernunft anschließen!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Ein Blick sollte an dieser Stelle auch auf die Bildungspolitik unserer Vorgängerregierung im Schuleingangs- und Elementarbereich gerichtet werden. Bereits während Ihrer Regierungszeit hat man doch offenkundig noch begriffen, dass nicht alle Kinder im selben Tempo lernen, dass jedes Kind seinen eigenen, individuellen Rhythmus mitbringt. Um diesen Unterschieden gerecht zu werden, haben Sie beispielsweise die Schuleingangsuntersuchung, die ESU, um ein Jahr vorgezogen. So werden seither schon frühzeitig Entwicklungsverzögerungen festgestellt, damit den Kindern bereits vor Schuleintritt die bestmögliche Förderung zuteilwerden kann.

In der Grundschule haben wir Ihnen die Möglichkeit der flexiblen Eingangsstufe zu verdanken, was bedeutet, dass die Lerninhalte der ersten beiden Schuljahre individuell, je nach Lerntempo des Kindes entweder in zwei oder drei Schuljahren erworben werden können. In allen Schularten – das wurde schon erwähnt – wurde die Möglichkeit der Versetzung auf Probe geschaffen. Das zeigt doch, dass auch Sie augenscheinlich verstanden haben, dass Gras nicht schneller wächst, wenn man daran zieht. Jedes Kind muss da abgeholt werden, wo es steht.

Dieses von Ihnen bereits initiierte Prinzip, dass jedem Kind die Zeit gewährt wird, die es braucht, führen wir nun konsequent dahin fort, dass in einigen Jahren das Sitzenbleiben überflüssig wird.

Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Rede zum Thema Schulschließungen

Abg. Klaus Käppeler SPD: Herr Präsident meine sehr geehrten Kolleginne und Kollegen,

(Abg. Friedlinde Gurr Hirsch CDU: Jetzt kommt eine Runde Betroffenheit!)

Der Titel dieser Debatte suggeriert: Die böse grün-rote Landesregierung hat eine Liste im Schließfach, auf der stehen die Schulen, die geschlossen werden sollen.

Ich sage Ihnen: Es gibt keine Rote Liste!

(Abg. Georg Wacker CDU: Ihr braucht ja Ressourcen! Irgendwoher müsst ihr die Ressourcen holen!)

Für Schulschließungen gelten nach wie vor die Regeln, Her Wacker, die sie über Jahre hinweg praktiziert haben, eingeführt und umgesetzt haben.

(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie trocknen doch die Schulen aus!)

Die Schulschließungen vor Ort werden vor Ort beschlossen. Das heißt, sie haben sich aus der Verantwortung gestohlen. Der Kollege Lehmann hat das gerade gesagt.  Dass das nicht sinnvoll ist, wurde auch schon ausgeführt. Interessant ist, jetzt nach vielen Jahren sind Sie in der Opposition und legen uns ein Konzept vor und sagen uns, wie wir es machen sollen.

(Zuruf von der CDU: Es wird auch einmal Zeit! Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das sind gute Ratschläge. Sie wollen doch eine Politik des Gehörtwerdens! Nehmen Sie doch einmal Einfluss darauf! Strengen Sie sich doch einmal an!)

-Sehr interessant- Gute Ratschläge sind natürlich gut. Die nehmen wir gerne an. Wir hören sie.
Aber eines muss ich Ihnen jetzt entgegnen: In Ihrer Kampagne blenden Sie die demografische  Entwicklung völlig aus. Bis um Regierungswechsel gab es auch schon in kleinen Orten Hauptschulen die ausgeblutet, die abgestorben sind.  Herr Röhm, mein Kollege von der anderen Partei  im Wahlkreis, weiß es:

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich grüße Sie!)

In seinem Heimatort ging im letzten Jahr die letzte neunte Klasse aus der Schule heraus, und damit war die Schule ausgestorben. Daran hat Grün-Rot nichts gerührt, sondern dazu hat die Kinderzahl geführt. Wenn sie mal ein bisschen die Geburtenzahlen betrachten – ich schaue mir mal meine Region an; Herr Röhm kennt die auch-, dann sehen Sie, dass beispielsweise  die Einwohnerzahl einer Gemeinde wie Trochtelfingen von 6 500 in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Die Geburtenzahl betrug vor zehn Jahren noch 100, im Jahr 2009, also vor vier Jahren, noch 61 und 2012 – also quasi im Moment – 45. Von 100 auf 45 zurück!

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was macht ihr den nachts? Abg. Hans-Ulrich Sckerl, GRÜNE: Schaut nicht so viel Fernsehen!)

Ja, genau!

Ähnliches gilt für die Nachbarstädte: Gammertingen 15% Rückgang, Burladingen, Hohenstein – dort, wo ich Schulleiter bin- ähnliche Entwicklungen. Einschulungen vor zehn Jahren um die 60, heute haben wir zwischen 30 und 40. Fast 50%, in manchen Gemeinden mehr als 50% weniger Kinder!
Ich weiß nicht, ob Sie sich bewusst sind, welche Konsequenzen aus den Zahlen zu ziehen sind. Wenn es Ihnen nicht klar ist, dann gebe ich Ihnen eine kleine Nachhilfestunde. An meiner Hauptschule sind etwa ein Drittel der Schülerinnen und Schüler aus der Region gegangen. Der Kollege Köberle hat mich einmal gelobt, als ich ihm erklärt habe, dass ich die Hauptschule in meiner Region rette. Aber was passiert bei einer Gesamtzahl von 30 Schülern? Wenn ein Drittel von 30 Schülern die Hauptschule besucht, dann sind dies zehn Schüler pro Jahrgang. Damit kann man keine Klasse bilden, auch in Zukunft nicht. Selbst die Bildung einer Kombiklasse ist nicht möglich. Damit wird diese Schule nicht mehr lange existieren.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Einen Antrag auf Gemeinschaftsschule stellen!)

Auch für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule ist diese Schule zu klein, Herr Zimmermann.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja, eben!)

Wenn Sie mich anschauen, sehen Sie den Rektor einer erfolgreichen, aber strebenden Hauptschule.
Es ist also nicht die rückläufige Schülerzahl speziell an der  Hauptschule dafür verantwortlich, sondern die rückläufige Geburtenzahl. Nicht die grün-rote Ideologie oder der Traum, dass alle gleich sein sollen, sondern die Demografie ist dafür verantwortlich. Ich bitte Sie, dass einfach einmal wahrzunehmen.
Die Folgen davon sind: Es gibt viele Schulen, die keine Zukunft mehr haben und deshalb geschlossen werden. Da können Sie tönen wie sie wollen – ich werde Ihnen, so oft Sie hier herantreten und uns den Vorwurf machen, immer wieder sagen: Es ist die rückläufige Geburtenzahl, die dazu führt, das keine Klassen mehr an den Hauptschulen gebildet werden können.
Ich frage Sie: Wo waren Ihre Planungen, die Schülerinnen und Schülern im ländlichen Raum eine Perspektive auf einen Schulbesuch in Heimatnähe geboten haben? Was habe Sie unternommen, um das alles zu begleiten und zu steuern? Nichts! Sie habe es laufe lassen. Mich ärgert, dass Sie heute mit Ihrer Kampagne durch die Gegend rennen und den Leuten erzählen: „Früher war alles gut, du die bösen Grün-Roten machen alles kaputt!“

(Abg. Friedlinde Gurr Hirsch CDU: Sie machen es doch auch kaputt! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Was wahr ist, ist wahr! Das muss man doch sagen!)

So ist es, genau.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das sagen uns aber die Lehrer, das sagen nicht wir!)

Heute wollen Sie die Realschulen retten. Ich sage Ihnen als Hauptschullehrer: Über Jahre hinweg sind Sie durch die Gegend gelaufen und haben gesagt: „Wir müssen die Hauptschule retten“ Wer rettet heute die Hauptschule? Sie nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Und Sie machen sie kaputt! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wenn die CDU als Retter kommt, wird es gefährlich! – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Noch ein kurzer Hinweis zum GEW-Gutachten. Dieses GEW-Gutachten, das Bargel-Gutachten, bietet einen Hinweis auf die künftige Bevölkerungsentwicklung und darauf, welche Möglichkeiten es gibt, weiterhin Schulstandorte zu halten. Die Behauptung, dass die darin enthaltenen Zahlen nicht stimmten, habe ich mit den vorhin genannten Zahlen aus meiner Heimatregion in etwa wiederlegt. Unter Ziffer 5 des Gutachtens – „Fortschreibung des gegliederten Schulwesens“ – heißt es in bezug auf den Landkreis Reutlingen:

Insgesamt dürften in Zukunft statt 23 Gemeinden … nur noch sechs Gemeinden im Kreis eine tragfähige Haupt-/Werkrealschule anbieten können; …

Diese Aussage wurde vor Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung getroffen. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis, und werden Sie ein bisschen sachlicher bei diesem Thema.

Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Klaus Käppelers Redebeitrag zur Bildungsdebatte im Baden-Württembergischen Landtag vom 14.3.2012

Herr Präsident, / Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Die Abgeordneten der CDU haben für ihre Große Anfrage zur Realschule einen interessanten und wie ich meine – aufschlussreichen – Titel gewählt. Sie bezeichnen die Realschule mit einem sehr wichtigen Körperteil, dem Rückgrat. Nun bin ich gespannt auf weitere Anfragen Ihrerseits und welche Körperteile Sie den anderen Schularten zuordnen:

Für die Grundschule hoffentlich das Herz, für das Gymnasium womöglich das Gehirn?  Was bleibt für die Hauptschule – die Niere? Was für die Förderschule? Wo ordnen Sie die Gemeinschaftsschule ein?

Die Große Anfrage hat das bestätigt, was wir schon wissen: Die Realschule ist eine von den Eltern und von den Schülern gerne gewählte und anerkannte weiterführende Schule. Sie hat ein persönlichkeitsbildendes Profil, ist berufsorientierend. Ihr Mittlerer Abschluss ist Voraussetzung für sehr viele Berufsausbildungen oder öffnet den Weg über ein berufliches oder allgemein bildendes Gymnasium zum Abitur.

Also ist alles auf bestem Weg?

Aus der Sicht der Schulleiter der Realschulen sieht vieles nicht so rosig aus:

·        Die Realschulen haben durchgängig sehr große Klassen- und Gruppen.

·        Sie weisen die schlechteste Lehrer-Schüler-Relation der weiterführenden Schulen aus.

·        Es gibt keine Poolstunden für pädagogische Maßnahmen – im Gegensatz zum Gymnasium.

·        Neue Poolstunden gibt es bei den Realschulen je Zug 1,5 – im Gymnasium in jeder Klasse 5 und 6  je eine Stunde – das macht bei einer vierzügigen Schule zwei Stunden weniger für die Realschule aus.

·        Für die Realschulen gibt es keine Stunden und auch kein Geld für die Hausaufgabenbetreuung – im Gegensatz zu den Gymnasien.

·        Der Ergänzungsbereich ist kaum berechenbarer, aus dem muss auch noch die Krankenstellvertretung gebildet werden – dadurch wird die Profilbildung erschwert und auch gefährdet.

·        Die Krankenstellvertretungsstunden sind zu knapp bemessen; Unterrichtsausfall ist zum Teil auch amtlich verordnet – wenn zum Beispiel Prüfungen stattfinden.

·        Für die Realschulrektoren gibt es weniger Leitungszeit im Vergleich zu den Direktoren etwa gleich großer Gymnasien.

·        Für Realschüler erhalten die Schulträger die geringsten Sachkostenbeiträge.

Das ist der schwarz-gelben Erblast geschuldet. Wir können diese Ungereimtheiten nicht von einem Jahr zum nächsten ausgleichen, aber wir arbeiten daran: Über 4000 Lehrerstellen in den Haushaltsjahren 2011 und 2012 bleiben im System – obwohl von Ihnen noch als künftig wegfallend verbucht. Im laufenden Haushaltsjahr 200 Deputate mehr für die Realschulen. Dazu kommt die Aufstockung der Krankheitsreserve. Das ist immer noch zu wenig, aber deutlich mehr, als Sie bereit waren, zu geben.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU,

was Sie mit Ihrer Anfrage nicht abgefragt haben, möchte ich hier und heute benennen:

Mit der Einführung des G8 haben sich viele Eltern mit ihren Kindern für die Realschule entschieden, obwohl die Empfehlung der Grundschule „Gymnasium“ lautete. So sitzen in manchen Realschulklassen bis zu 30 Prozent Schülerinnen und Schüler, die die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen.

Gleichzeitig nehmen die Realschulrektoren seit Jahren Kinder in ihrer Schule auf, die ein Jahr zuvor noch eine Hauptschulempfehlung erhalten haben – weil die Eltern alles daran setzten, dass ihr Kind die Realschule besuchen kann, selbst wenn es die fünfte Klasse wiederholen muss.

So haben wir heute schon in vielen Realschulklassen eine große Heterogenität, die der einer Gemeinschaftsschule entspricht. Vermutlich wird die Bandbreite der Begabungen mit dem Wegfall der verpflichtenden Grundschulempfehlung nicht kleiner.

Meine Damen und Herren der Opposition,

natürlich wissen Sie das längst, wollen es sich aber nicht eingestehen: Die Realschule ist Gemeinschaftsschule. Ihnen gelingt es, bis zu 50 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund erfolgreich in die Gesellschaft zu integrieren – da besteht bei den Gymnasien noch Nachholbedarf.

Ich weiß von konkreten Überlegungen, die vakante Stelle des Schulleiters der Werkrealschule durch den Realschulrektor zu besetzen und die beiden Schulen zu verschmelzen. Durch diesen Zwischenschritt ist der Weg vorgezeichnet und ich bin mir sicher, dass ihn nach und nach Realschulen einschlagen und Gemeinschaftsschule werden.

Meine Empfehlung ist daher hier und bei vielen Gesprächen mit betroffenen Schulleitern: Machen Sie sich darüber Gedanken, die Realschule zu einer echten Gemeinschaftsschule weiterzuentwickeln, dann werden Sie am besten den unterschiedlichen Begabungen der Kinder in dieser Schulart gerecht. So sieht das übrigens auch die Stuttgarter CDU – Bildungsbürgermeisterin Susanne Eisenmann. Auch sie hat den Stuttgarter Realschulen öffentlich empfohlen, sich zu Gemeinschaftsschulen weiterzuentwickeln. Ihre Front bröckelt!

Klaus Käppelers Redebeitrag zur Änderung des Schulgesetzes – Werkrealschule

Herr Präsident, / Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Die Zukunft der Werkrealschule beschäftigt das Hohe Haus nicht erst mit der von der Kultusministerin vorgestellten Gesetzesänderung. Erst am 13. Oktober diesen Jahres haben wir intensiv über den gleichlautenden Antrag der FDP/DVP Fraktion beraten.

Wie hat der Städtetag in seiner Stellungnahme zu unserer Gesetzesvorlage trefflich formuliert:

„Keine andere Schulart ist in den letzten Jahrzehnten auch nur annähernd so oft und grundlegend mit Änderungen konfrontiert worden, wie die Hauptschule und mit ihr die Werkrealschule.“ Wenn an anderer Stelle deshalb von Reformitis gesprochen wird – was sich anhört wie eine Krankheit – dann sage ich Ihnen, warum alle Ihre unterschiedlichen Ansätze zur Heilung gescheitert sind: Ihre Diagnose ist falsch! Die Krankheit besteht darin, dass alle Kinder nach der 4. Klasse getrennt werden, dass noch immer der Glauben vorherrscht, dass die besten Bildungserfolge in möglichst homogenen Gruppen erzielt werden.

Ich möchte nicht alles wiederholen, was ich in der letzten Debatte über die früheren Rettungsversuche an der Hauptschule gesagt habe.

Aber eines ist mir schon wichtig festzuhalten: Dass heute nur noch zwei Prozent der Eltern für ihre Kinder die Schulart Hauptschule bzw. Werkrealschule bewusst auswählen, zeigt das Dilemma, in dem sich all diejenigen befinden, die krampfhaft an der Dreigliedrigkeit festhalten. Ihre frühere Vordenkerin Annette Schavan hat dies erkannt. Sie, sehr geehrte Damen und Herren von CDU und FDP werden dies auch noch erkennen. Erkenntnisgewinn tut manchmal weh, besonders wenn man in kurzer Zeit in verschiedensten Politikfeldern Kehrtwendungen vollziehen muss.

An diesen Fakten kommen Sie nicht vorbei, auch wenn Sie keine Gelegenheit auslassen, den Bildungsaufbruch der grün-roten Landesregierung dafür verantwortlich zu machen.

Wissen Sie, was daran besonders bitter ist: Das außergewöhnliche Engagement von vielen Lehrerinnen und Lehrern, Eltern, Schulleitungen und Bildungspartnern konnte die Akzeptanz der Hauptschulen und Werkrealschulen nicht steigern. Im Gegenteil. Diese Schulen haben ein tolles Profil. Sie begleiten ihre Schülerinnen und Schüler individuell. Sie bringen sie nach vorbildlicher Berufsvorbereitung direkt im Beruf oder in weiterführenden beruflichen Schulen unter. Trotzdem finden sie keinen Zuspruch. Die Eltern sehen das Heil ihrer Kinder nur in der nächsten Realschule oder im Gymnasium.

Mit der vorliegenden Gesetzesänderung wollen und können wir nicht das korrigieren, was sich über Jahre hinweg entwickelt hat und was auch die Erfindung der „Werkrealschule Neu“ nicht aufhalten konnte: Den Trend zu einem höherwertigen Bildungsabschluss – wobei das Wort „höherwertig“ durchaus kritisch zu hinterfragen ist!
Deswegen – und auch wegen der weiter zurückgehenden Schülerzahlen werden in den kommenden Jahren weitere Hauptschulen und Werkrealschulen ihre Pforten schließen. Denn die „Abstimmung mit den Füßen“ geht weiter.

Wenn nun im kommenden Jahr auch einzügige Hauptschulen ein zehntes Schuljahr anbieten dürfen, so kann dies zu einer Stabilisierung der Situation vor Ort führen. Dies revidiert die unsägliche Einführung der Werkrealschule Neu und stellt fast den alten Zustand wieder her. Weil sie von Schülern wie auch von Lehrern positiv aufgenommen wurden, behalten wir die Wahlpflichtfächer in Klasse 8 und 9 und führen sie auch in Klasse 10 weiter.

Der Wegfall der Notenhürde und die Möglichkeit, erst am Ende der 10. Klasse den Hauptschulabschluss zu machen, eröffnet den Schulen die Möglichkeit, die Jugendlichen so lange zu begleiten, bis sie – ihrem Lerntempo angepasst – ausbildungsreif sind. Der Hauptschulabschluss der zwei Geschwindigkeiten kommt insbesondere den schwächeren Schülern zugute, denn diese brauchen mehr Zeit. Denn das ist es, was unsere Kinder in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft benötigen: „Zeit“. Übrigens auch eine gute Option für Schüler aus der Förderschule, die auch länger brauchen, um den Hauptschulabschluss zu erreichen.

An dieser Stelle möchte ich nicht verhehlen, dass ich mich persönlich – und mit mir viele Kolleginnen und Kollegen – mit der Einführung der Werkrealschule, des 10. Schuljahres und des Mittleren Bildungsabschlusses Mitte der neunziger Jahre schwer getan habe. Die Akzeptanz dafür hat gefehlt, viele Schülerinnen und Schüler haben den bewährten Weg über eine zweijährige Berufsfachschule zur Mittleren Reife gewählt oder sind direkt in den Beruf eingestiegen.

Die wenigen Standorte mit 10. Schuljahr mussten immer bangen, genügend Schülerinnen und Schüler für eine 10. Klasse zusammen zu bekommen. Wenn dies nicht gelang, wechselten diese Schüler für ein einziges weiteres Jahr an eine fremde Schule. Dort haben sie sich angestrengt und häufig einen ordentlichen Werkrealschulabschluss erreicht.

Das Suggerieren der Vergleichbarkeit des Realschulabschlusses und des Werkrealschulabschlusses hat dann aber zu Irritationen geführt, verursacht durch bewusste oder unbewusste Irreführung: Die Abschlüsse sind gleichwertig, aber nicht gleichartig – oder ist es anders herum: gleichartig , aber nicht gleichwertig?

Ihre letzte Novelle der Hauptschule und Werkrealschule hatte zum Ziel, dass 50 % der Hauptschüler in ein 10. Schuljahr wechseln. Diese Annahme lag ebenso daneben wie schon 15 Jahre zuvor bei der Einführung der Werkrealschule. Gerade mal 17% der Neuntklässler landesweit entschieden sich 2010 / 2011 für die Werkrealschule. Ob sich dies nun ändert wissen wir nicht. Aber ich bin sicher, dass sich einige dieser Schulen auch auf den Weg machen, Gemeinschaftsschulen zu werden. Dort werden Kinder nicht ausgegrenzt und stigmatisiert, sondern dürfen sich ihrem Lerntempo und ihren Fähigkeiten entsprechend unterschiedlich entwickeln.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich finde, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie uns für Ihre Bildungspolitik der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich machen wollen! Dass seit Jahren die Übergangszahlen in die Hauptschule schrumpfen und deswegen Schulstandorte aufgeben werden müssen, ist nicht das Verschulden der früheren Oppositions– und heutigen Regierungsfraktionen.

Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus dem Plenarprotokoll vom 13.Oktober 2011, dort argumentierten Sie, Herr Kollege Müller so:

„Jahrelang wurden die Hauptschule und die Werkrealschule schlechtgeredet, um sozusagen das Feld für diese Transformation vorzubereiten. … Sie halten diese Schule für dem Untergang geweiht und wollen sie nach der verbalen Demontage real demontieren.“ Ich finde, das ist ganz schön starker Tobak und klingt nach Reparationszahlungen nach dem ersten Weltkrieg.

Ich lade Sie gerne mal in meine Grund- und Hauptschule nach Hohenstein ein. Oder reden Sie mal mit dem stellvertretenden Präsidenten der IHK Reutlingen über meine Schule, der kennt sie auch: Wir reden die Hauptschule nicht schlecht, im Gegenteil: Bei uns wechselten bis zum vergangenen Jahr regelmäßig rund 30% der Viertklässler in die Hauptschule. Wir haben Ihre Zielvorgabe erreicht.

Also: Was werfen Sie mir vor?

Nun ist dieses Übergangsverhalten nicht überall so. Wenn in Tübingen nur noch 8 % der Viertklässler in die Hauptschule wechseln, spiegelt sich darin das Misstrauen, das dieser Schulart entgegengebracht wird. Denn Sie haben jahrelang am Willen der Eltern vorbei regiert. Auch dafür haben Sie am 27. März die Quittung erhalten.

Klaus Käppelers Redebeitrag zur Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung

Herr Präsident, / Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Wer diese Debatte zur Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung verfolgt, dem erschließt sich deutlich, welche Art der Bildungspolitik in den vergangenen bald 60 Jahren in diesem Land vorgeherrscht hat: Unter dem Deckmantel, das Beste FÜR die Kinder zu wollen, haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, stets alles daran gesetzt, das Beste VON den Kindern zu bekommen. Kinder wurden in Ihrem System von Beginn an als reines Investitionsgut behandelt. Investitionsgut, das am Ende schlicht zum wirtschaftlichen Erfolg dieses Landes beitragen soll. Ich erinnere an G8 oder an das immer frühere Einschulen den Kinder!

Das Gesetz zur Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung wird mit dieser einseitigen Wahrnehmung Schluss machen.
Und daher stellt der heutige Tag, der 7. Dezember 2011, einen ersten Schritt in die Richtung einer neuen Bildungspolitik dar. Auch wenn Ihnen das nicht gefällt!
Eine Bildungspolitik, die das ganze Kind im Blick hat und die vor allem die Eltern mit in die Verantwortung nimmt. Und Sie können sicher sein, dass die Eltern sich dieser Verantwortung durchaus bewusst sind, denn Verantwortung heißt auch Mitbestimmung und Entscheidungsfreiheit – nicht nur Kuchen backen!

Lieber Herr Wacker, Sie plagen uns ein ums andere Mal mit dem Einwand, dass ja auch bislang der Elternwille berücksichtigt werde. Durch den Wegfall der Grundschulempfehlung – so Ihre Argumentation – würde sich also eigentlich nichts Wesentliches ändern. Wenn dem so ist, und es ändert sich nichts, dann frage ich Sie: Weshalb können wir die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung dann im Umkehrschluss nicht auch abschaffen?

Die Antwort darauf haben Sie uns schon mehrfach geliefert: Sie wollen bestimmte Kinder eben nicht in den Realschulen oder auf den Gymnasien sehen. Genau wie die Eltern der Gymnasiasten in Hamburg haben Sie geradezu panische Angst davor, dass durch die Durchmischung dieser Schularten das Niveau sinken könnte. Die Schülerinnen und Schüler aus den besseren Familien sollen doch lieber unter sich bleiben. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen, das Gegenteil ist der Fall!

Rufen Sie sich doch nur in Erinnerung, wodurch sich die PISA-Siegerländer seinerzeit maßgeblich von unserem Schulsystem unterschieden haben. Durch das längere gemeinsame Lernen ALLER Schüler – also stärkerer und schwächerer. PISA zeigte anschaulich, dass hier nicht etwa die Stärkeren ausgebremst und am Lernen gehindert werden, sondern dass die Schwächeren von dieser Durchmischung profitieren. Sie erzielen deutlich bessere Leistungen als in jenen Ländern, in welchen sie unter ihresgleichen bleiben. Dieses vorbildliche Beispiel hat sich übrigens vor einigen Jahren der gesamte Bildungsausschuss des Landtags in Finnland und Kanada angeschaut und Sie, Herr Wacker, wenn ich mich richtig erinnere, waren auch mit von der Partie. Nur, um dann in die Heimat zurückzukehren und dennoch so weiter zu machen wie bisher. Weil es eben immer schon so war.

Und an dieser Stelle sind wir an einem weiteren wichtigen Punkt angelangt: Der sozialen Gerechtigkeit. Nachdem Sie so oft und gerne empirische Studien zitieren, darf ich Sie daran erinnern, was die IGLU-Studie zu Tage gefördert hat. Hier wird deutliche Kritik an der verbindlichen Grundschulempfehlung laut. Und warum? Weil – ich zitiere – „Kinder von Arbeitern bei gemessener gleicher Leistung seltener eine Empfehlung fürs Gymnasium oder die Realschule bekommen als ihre Altersgenossen mit Eltern aus der sogenannten oberen Dienstklasse“. Soviel zu Ihrer vielgepriesenen Stufe II im Verfahren der verbindlichen Grundschulempfehlung, bei welcher der Elternwille scheinbar ach so große Beachtung findet.

In wenigen Worten möchte ich auch noch auf den Vorschlag von Herrn Kern eingehen, das bestehende Verfahren nicht abzuschaffen, sondern zu verbessern. Dazu, Herr Kern, kann ich nur sagen: Die Zeit der faulen Kompromisse ist endgültig vorbei. Bestehendem nur einen neuen Anstrich zu verleihen, das war die Methode Ihrer Regierungszeit. Wir jedoch scheuen uns nicht davor, beim Namen zu nennen, was bislang schief läuft und die Konsequenz daraus zu ziehen. Die Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung ist eine mehr als notwendige Konsequenz.

Vielen Dank!