Klaus Käppelers Redebeitrag zur Bildungsdebatte im Baden-Württembergischen Landtag vom 14.3.2012

Herr Präsident, / Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Die Abgeordneten der CDU haben für ihre Große Anfrage zur Realschule einen interessanten und wie ich meine – aufschlussreichen – Titel gewählt. Sie bezeichnen die Realschule mit einem sehr wichtigen Körperteil, dem Rückgrat. Nun bin ich gespannt auf weitere Anfragen Ihrerseits und welche Körperteile Sie den anderen Schularten zuordnen:

Für die Grundschule hoffentlich das Herz, für das Gymnasium womöglich das Gehirn?  Was bleibt für die Hauptschule – die Niere? Was für die Förderschule? Wo ordnen Sie die Gemeinschaftsschule ein?

Die Große Anfrage hat das bestätigt, was wir schon wissen: Die Realschule ist eine von den Eltern und von den Schülern gerne gewählte und anerkannte weiterführende Schule. Sie hat ein persönlichkeitsbildendes Profil, ist berufsorientierend. Ihr Mittlerer Abschluss ist Voraussetzung für sehr viele Berufsausbildungen oder öffnet den Weg über ein berufliches oder allgemein bildendes Gymnasium zum Abitur.

Also ist alles auf bestem Weg?

Aus der Sicht der Schulleiter der Realschulen sieht vieles nicht so rosig aus:

·        Die Realschulen haben durchgängig sehr große Klassen- und Gruppen.

·        Sie weisen die schlechteste Lehrer-Schüler-Relation der weiterführenden Schulen aus.

·        Es gibt keine Poolstunden für pädagogische Maßnahmen – im Gegensatz zum Gymnasium.

·        Neue Poolstunden gibt es bei den Realschulen je Zug 1,5 – im Gymnasium in jeder Klasse 5 und 6  je eine Stunde – das macht bei einer vierzügigen Schule zwei Stunden weniger für die Realschule aus.

·        Für die Realschulen gibt es keine Stunden und auch kein Geld für die Hausaufgabenbetreuung – im Gegensatz zu den Gymnasien.

·        Der Ergänzungsbereich ist kaum berechenbarer, aus dem muss auch noch die Krankenstellvertretung gebildet werden – dadurch wird die Profilbildung erschwert und auch gefährdet.

·        Die Krankenstellvertretungsstunden sind zu knapp bemessen; Unterrichtsausfall ist zum Teil auch amtlich verordnet – wenn zum Beispiel Prüfungen stattfinden.

·        Für die Realschulrektoren gibt es weniger Leitungszeit im Vergleich zu den Direktoren etwa gleich großer Gymnasien.

·        Für Realschüler erhalten die Schulträger die geringsten Sachkostenbeiträge.

Das ist der schwarz-gelben Erblast geschuldet. Wir können diese Ungereimtheiten nicht von einem Jahr zum nächsten ausgleichen, aber wir arbeiten daran: Über 4000 Lehrerstellen in den Haushaltsjahren 2011 und 2012 bleiben im System – obwohl von Ihnen noch als künftig wegfallend verbucht. Im laufenden Haushaltsjahr 200 Deputate mehr für die Realschulen. Dazu kommt die Aufstockung der Krankheitsreserve. Das ist immer noch zu wenig, aber deutlich mehr, als Sie bereit waren, zu geben.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU,

was Sie mit Ihrer Anfrage nicht abgefragt haben, möchte ich hier und heute benennen:

Mit der Einführung des G8 haben sich viele Eltern mit ihren Kindern für die Realschule entschieden, obwohl die Empfehlung der Grundschule „Gymnasium“ lautete. So sitzen in manchen Realschulklassen bis zu 30 Prozent Schülerinnen und Schüler, die die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen.

Gleichzeitig nehmen die Realschulrektoren seit Jahren Kinder in ihrer Schule auf, die ein Jahr zuvor noch eine Hauptschulempfehlung erhalten haben – weil die Eltern alles daran setzten, dass ihr Kind die Realschule besuchen kann, selbst wenn es die fünfte Klasse wiederholen muss.

So haben wir heute schon in vielen Realschulklassen eine große Heterogenität, die der einer Gemeinschaftsschule entspricht. Vermutlich wird die Bandbreite der Begabungen mit dem Wegfall der verpflichtenden Grundschulempfehlung nicht kleiner.

Meine Damen und Herren der Opposition,

natürlich wissen Sie das längst, wollen es sich aber nicht eingestehen: Die Realschule ist Gemeinschaftsschule. Ihnen gelingt es, bis zu 50 Prozent Kinder mit Migrationshintergrund erfolgreich in die Gesellschaft zu integrieren – da besteht bei den Gymnasien noch Nachholbedarf.

Ich weiß von konkreten Überlegungen, die vakante Stelle des Schulleiters der Werkrealschule durch den Realschulrektor zu besetzen und die beiden Schulen zu verschmelzen. Durch diesen Zwischenschritt ist der Weg vorgezeichnet und ich bin mir sicher, dass ihn nach und nach Realschulen einschlagen und Gemeinschaftsschule werden.

Meine Empfehlung ist daher hier und bei vielen Gesprächen mit betroffenen Schulleitern: Machen Sie sich darüber Gedanken, die Realschule zu einer echten Gemeinschaftsschule weiterzuentwickeln, dann werden Sie am besten den unterschiedlichen Begabungen der Kinder in dieser Schulart gerecht. So sieht das übrigens auch die Stuttgarter CDU – Bildungsbürgermeisterin Susanne Eisenmann. Auch sie hat den Stuttgarter Realschulen öffentlich empfohlen, sich zu Gemeinschaftsschulen weiterzuentwickeln. Ihre Front bröckelt!

Schreibe einen Kommentar