Klaus Käppelers Redebeitrag zur Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung

Herr Präsident, / Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Wer diese Debatte zur Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung verfolgt, dem erschließt sich deutlich, welche Art der Bildungspolitik in den vergangenen bald 60 Jahren in diesem Land vorgeherrscht hat: Unter dem Deckmantel, das Beste FÜR die Kinder zu wollen, haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, stets alles daran gesetzt, das Beste VON den Kindern zu bekommen. Kinder wurden in Ihrem System von Beginn an als reines Investitionsgut behandelt. Investitionsgut, das am Ende schlicht zum wirtschaftlichen Erfolg dieses Landes beitragen soll. Ich erinnere an G8 oder an das immer frühere Einschulen den Kinder!

Das Gesetz zur Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung wird mit dieser einseitigen Wahrnehmung Schluss machen.
Und daher stellt der heutige Tag, der 7. Dezember 2011, einen ersten Schritt in die Richtung einer neuen Bildungspolitik dar. Auch wenn Ihnen das nicht gefällt!
Eine Bildungspolitik, die das ganze Kind im Blick hat und die vor allem die Eltern mit in die Verantwortung nimmt. Und Sie können sicher sein, dass die Eltern sich dieser Verantwortung durchaus bewusst sind, denn Verantwortung heißt auch Mitbestimmung und Entscheidungsfreiheit – nicht nur Kuchen backen!

Lieber Herr Wacker, Sie plagen uns ein ums andere Mal mit dem Einwand, dass ja auch bislang der Elternwille berücksichtigt werde. Durch den Wegfall der Grundschulempfehlung – so Ihre Argumentation – würde sich also eigentlich nichts Wesentliches ändern. Wenn dem so ist, und es ändert sich nichts, dann frage ich Sie: Weshalb können wir die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung dann im Umkehrschluss nicht auch abschaffen?

Die Antwort darauf haben Sie uns schon mehrfach geliefert: Sie wollen bestimmte Kinder eben nicht in den Realschulen oder auf den Gymnasien sehen. Genau wie die Eltern der Gymnasiasten in Hamburg haben Sie geradezu panische Angst davor, dass durch die Durchmischung dieser Schularten das Niveau sinken könnte. Die Schülerinnen und Schüler aus den besseren Familien sollen doch lieber unter sich bleiben. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen, das Gegenteil ist der Fall!

Rufen Sie sich doch nur in Erinnerung, wodurch sich die PISA-Siegerländer seinerzeit maßgeblich von unserem Schulsystem unterschieden haben. Durch das längere gemeinsame Lernen ALLER Schüler – also stärkerer und schwächerer. PISA zeigte anschaulich, dass hier nicht etwa die Stärkeren ausgebremst und am Lernen gehindert werden, sondern dass die Schwächeren von dieser Durchmischung profitieren. Sie erzielen deutlich bessere Leistungen als in jenen Ländern, in welchen sie unter ihresgleichen bleiben. Dieses vorbildliche Beispiel hat sich übrigens vor einigen Jahren der gesamte Bildungsausschuss des Landtags in Finnland und Kanada angeschaut und Sie, Herr Wacker, wenn ich mich richtig erinnere, waren auch mit von der Partie. Nur, um dann in die Heimat zurückzukehren und dennoch so weiter zu machen wie bisher. Weil es eben immer schon so war.

Und an dieser Stelle sind wir an einem weiteren wichtigen Punkt angelangt: Der sozialen Gerechtigkeit. Nachdem Sie so oft und gerne empirische Studien zitieren, darf ich Sie daran erinnern, was die IGLU-Studie zu Tage gefördert hat. Hier wird deutliche Kritik an der verbindlichen Grundschulempfehlung laut. Und warum? Weil – ich zitiere – „Kinder von Arbeitern bei gemessener gleicher Leistung seltener eine Empfehlung fürs Gymnasium oder die Realschule bekommen als ihre Altersgenossen mit Eltern aus der sogenannten oberen Dienstklasse“. Soviel zu Ihrer vielgepriesenen Stufe II im Verfahren der verbindlichen Grundschulempfehlung, bei welcher der Elternwille scheinbar ach so große Beachtung findet.

In wenigen Worten möchte ich auch noch auf den Vorschlag von Herrn Kern eingehen, das bestehende Verfahren nicht abzuschaffen, sondern zu verbessern. Dazu, Herr Kern, kann ich nur sagen: Die Zeit der faulen Kompromisse ist endgültig vorbei. Bestehendem nur einen neuen Anstrich zu verleihen, das war die Methode Ihrer Regierungszeit. Wir jedoch scheuen uns nicht davor, beim Namen zu nennen, was bislang schief läuft und die Konsequenz daraus zu ziehen. Die Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung ist eine mehr als notwendige Konsequenz.

Vielen Dank!

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