Multimediaoffensive für die Schulen?

PLENUM 34. Sitzung, 14. Oktober 2002

TOP 11: Multimediaoffensive für die Schulen

Drucksache 13 /372 Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Die Veröffentlichung der PISA – Studie ist ein Jahr alt, und schon beginnt sie wieder in Vergessenheit zu geraten.

Zur Erinnerung:

95% der deutschen Lehrer haben einen Computer zu Hause, damit gehören wir zur Spitzengruppe in Europa: Wir belegen den 3. Platz!
Aber nur 42% nutzen ihn auch in der Schule!

72% der deutschen Lehrer haben einen Internetanschluss zu Hause. Auch damit liegen wir über dem EU – Durchschnitt !
Aber nur 25% nutzen es auch in der Schule !

44% der deutschen Schüler nutzen täglich den Computer zu Hause.
Aber nur magere 3% nutzen ihn täglich in der Schule.
Damit belegen wir den vorletzten Platz in der PISA – Studie!

Und hier noch eine Information, die im Zusammenhang mit der Multimedia – Offensive an Schulen eine nicht unwesentliche Rolle spielt:

60% der deutschen Schüler spielen überwiegend mit dem Computer, damit liegen wir im oberen Viertel im europäischen Vergleich, vor allem sind es die Jungen, die besonders Reaktionsspiele zum Zeitvertreib spielen.

Fazit der PISA – Studie: In der Nutzung von Computer und Internet haben deutsche Schüler besonders wenig Erfahrung. 

Eurobarometer 2001 + PISA-Studie!
Wirth/Klieme 2002 (PISA-Studie)

Meine Damen und Herren,

die Multimediaoffensive der Landesregierung kommt mir vor wie die Ankündigung von Angriffsfußball ohne eine Sturmspitze!

Haushalt

Im Jahr 2000 beschloss der CDU – Parteitag eine Multimedia–Offensive – berauscht vom Milliarden-Erlös des Verkaufs der EnBW: Jeder Schüler ab Klasse 7 sollte einen Laptop erhalten. Im Entwurf des Haushaltsplans 2002 / 03 fanden sich dann noch rund 50 Mio. € und Kultusministerin Schavan gab die neue Marschrichtung vor: Medienecken in den Klassenzimmern – für jeweils 10 Schüler ein PC !

Als es dann bei den Haushaltsberatungen zum Schwur kam, versagte ihr die Regierungsfraktion die Gefolgschaft und ließ sie im Regen stehen.

Sachkostenbeiträge

1997 hat das Land den Sachkostenbeitrag um umgerechnet rund 12,5 Mio. € erhöht, um die Kommunen in die Lage zu versetzen, ihre Schulen mit multimediafähigen Computern und mit Netzwerken auszustatten. Dieser Betrag reicht bei weitem nicht aus, schon gar nicht um Schulen zu vernetzen.

Vor ziemlich genau einem Jahr erfuhr die interessierte Öffentlichkeit vom Durchbruch: Ministerpräsident Erwin Teufel höchstpersönlich verkündete die Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden: Um 50 Mio. € wird der Sachkostenbeitrag zur Verbesserung der Medienausstattung an Schulen erhöht. Das hörte sich nicht schlecht an.

ABER Frau Schavan / Herr Saatssekretär Rau: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

Es drehte sich nicht um zusätzliches Geld, die kommunale Investitionspauschale wurde um keinen Cent erhöht. Und die Schulträger sind rechtlich nicht einmal verpflichtet, die Sachkostenbeiträge in voller Höhe unmittelbar für die Schulen zu verwenden! 

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank: Sie reichen enorme Aufgaben an die Kommunen weiter, ohne für eine entsprechende Finanzierung zu sorgen.

Eine Ausnahme stellen allerdings die Beruflichen Schulen dar. Dort wurden in den vergangenen 2 Jahren allein rund 35 Mio. € in die Multimedia-Ausstattung investiert. Leider ist dies nicht Ihr Verdienst: Dieses Geld aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm für Berufliche Schulen wurde von der Rot-Grünen Bundesregierung bereitgestellt. Eine Freiwilligkeitsleistung und gleichzeitig eine Entlastung des Landes, die Sinn macht und die zeigt, welchen Stellenwert die Bundesregierung diesem Thema beimisst.

Lehrerfortbildung

Für die weiterführenden Schulen je ein Multimedia- und einen Netzwerkberater auszubilden, reicht nicht aus. Die Kolleginnen und Kollegen fragen Fortbildung nach, sie wollen häufiger den PC in den Schulen einsetzen. Erst wenn alle Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit dem Computer geschult sind, kann die einzelne Schule ihre eigene Konzeption entwickeln. Zu Recht hat Frau Schavan erkannt, dass die beste Ausstattung nichts nützt, wenn Lehrerinnen und Lehrer den Computer nicht im Unterricht einsetzen. Aber wenn Not am Mann bzw. an der Frau ist, haben wir in Baden-Württemberg ja immer noch die Landesstiftung. Leider schielte unsere Ministerin umsonst nach dem Füllhorn, weil – ich zitiere aus der Antwort des Ministeriums – „die Frage der Gemeinnützigkeit von Lehrerfortbildungen noch nicht abschließend geklärt ist“. Schade, denn es besteht ein dringender Bedarf! Bitte erinnern Sie sich daran, was ich eingangs sagte.

Und jetzt erzähle ich Ihnen aus der Praxis:

Multimedia- und Netzwerkberater fühlen sich alleingelassen und mit einer Stunde Ermäßigung übermäßig ausgenützt – überlegen Sie nur einmal, mit welchem Aufwand Ihre technische Unterstützung hier im Landtag geschieht und wie sie auch notwendig ist. Besonders dort, wo sich die Schulträger aus wirtschaftlichen Gründen nicht für ein einheitliches technisches Leitbild entschieden haben – wo also unterschiedliche Rechner in einem Netzwerk zusammengebunden wurden und wo keine professionelle Hilfe von außen bezahlt werden kann – besonders dort sind engagierte Kolleginnen und Kollegen völlig überlastet und frustriert.

Ich frage mich nach wie vor, weshalb zu den einheitlichen technischen Leitbildern noch nicht die „Thin-client-Lösung“ zählt! Ein Server, Arbeitsplätze mit Bildschirm und Tastatur, vernetzt mit entsprechender Software kosten deutlich weniger als hochgerüstete Einzelarbeitsplätze. Die einzige, die sich darüber richtig freut, ist die Computer – Industrie.

Ich fordere Sie auf, Herr Rau, in Ihrer Antwort nachher dazu Stellung zu nehmen – ich hatte dieses Thema schon in der Ausschuss-Sitzung angesprochen!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das hochgejubelte Informations- und Kommunikationszeitalter hat seine Unschuld verloren. Ich hoffe nicht, dass es der Multimediaoffensive an Schulen so geht wie dem „Neuen Markt“ an der Börse. Es gibt ihn nicht mehr.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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