Was geschieht mit den Lehrern einer Schule, die es nicht mehr geben soll?

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Vor zwei Tagen, am 2. Februar 2015, hat der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch die vierte Tranche der Gemeinschaftsschulen im Land bekannt gegeben.

     Abg. Helmut Walter Rück, CDU: Ich habe gedacht das war am Freitag vorher
     schon geklärt.

Den bisherigen 209 Gemeinschaftsschulen im Land folgen zum Schuljahr 2015/16 weitere 62, darunter nicht nur Haupt- und Werkrealschulen

     Abg. Georg Wacker, CDU: 90%!

sondern auch Realschulen.

Der Erfolg dieser von uns eingeführten Schulart, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, lässt sich auch an diesen Zahlen bemessen – und auch von Ihnen nicht mehr bestreiten. Abermals sind wieder viele Gemeinden mit CDU-Bürgermeistern darunter.

     Abg. Dieter Hillebrand, CDU: Ja, warum denn? – Abg. Georg Wacker, CDU: 
    Der rettende Anker!

Es scheint ein wenig so, dass Sie mit Ihrem Antrag einmal mehr und zunehmend hilflos versuchen, diese Schulart schlecht zu reden. Diesmal kommen Sie durch die Hintertür und unterstellen uns zweierlei: Wir schließen die Haupt- und Werkrealschulen (diese Behauptung ist nicht neu) und wir lassen die Lehrerinnen und Lehrer anschließend im Regen stehen. Ganz schön mutig angesichts der Tatsache, dass Sie während Ihrer Regierungszeit jahrelang die demographische Entwicklung missachtet haben.

    Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen

Hätten Sie den Mumm besessen, sich schon vor Jahren an die Regionale Schulentwicklung zu wagen, hätten auch die von Ihnen nun entdeckten Hauptschullehrerinnen und -lehrer etwas davon gehabt.

     Zuruf des Abg Dieter Hillebrand

Sie wissen ebenso gut wie wir, dass es nicht Parteiprogramme sind, die Schulen auslaufen lassen;

     Abg. Dr. Timm Kern FPD/DVP: Och!

es ist die Demographie, die den Haupt- und Werkrealschulen die Schülerinnen und Schüler nimmt, ebenso wie ein verändertes Schulwahlverhalten. Dies geschieht schon seit vielen Jahren und verstärkt in ländlichen Gebieten. Beispiele in meinem Wahlkreis sind Orte wie –Herr Glück kennt sie- Mehrstetten, Münsingen-Auingen, Hayingen – und auch in der Heimatgemeinde von Herrn Röhm –er ist gerade nicht da -, Gomadingen, gibt es keine Hauptschule mehr.
Die Abnahme der Schülerzahlen an diesen Standorten begann schon lange vor unserer Regierungsübernahme im Jahr 2011.
Inzwischen sind diese Schulen geschlossen und die Lehrerinnen und Lehrer kamen an benachbarten Grundschulen und Hauptschulen unter. Eine Kollegin aus Hayingen kam an der Realschule in Ehingen unter. Auch meine eigene Schule ist von dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen: Jedes Jahr verliere ich eine Kollegin an die Grundschule, an die Hauptschule oder auch an die Gemeinschaftsschule. Sie sehen also, diese Lehrerinnen und Lehrer werden nicht „heimatlos“, sondern sie werden gebraucht!

Gleichwohl wissen wir, dass wir den Lehrerinnen und Lehrern verlässliche Perspektiven aufzeigen müssen. Dies tun wir auch. Erst kürzlich habe ich zu dieser Thematik einen Beitrag für die Zeitschrift der GEW verfasst. Haupt- und Werkrealschullehrer haben bereits heute die Möglichkeit, an eine Realschule oder an eine Gemeinschafsschule zu wechseln. Gerade die Realschulen, die künftig auch den Hauptschulabschluss anbieten dürfen, werden von der Erfahrung dieser Kolleginnen und Kollegen profitieren. Aber auch die Gemeinschaftsschulen, die ja durch eine heterogene Schülerschaft geprägt sind, bieten sich gerade hierdurch für einen Wechsel an. Diejenigen unter den Lehrerinnen und Lehrern, die sich weiterqualifizieren möchten, werden wir in diesem Wunsch unterstützen – natürlich muss sich dies dann auch in der Besoldung niederschlagen.

     Abg. Martin Rivoir, SPD: Genau!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, von einer Fraktion, die den Namen Gemeinschaftsschule noch immer in Anführungszeichen schreibt, müssen wir uns nichts sagen lassen. Sie leben an der Realität vorbei, dies haben sie schon immer getan. Während Sie jegliche gesellschaftliche Weiterentwicklung verschlafen, stellen wir uns unterstützend hinter die tragende Säule unseres Bildungssystems: Die baden-württembergischen Lehrerinnen und Lehrer!

Noch eine Anmerkung zum Schluss. Herr Müller, wenn Sie von 43.000 Lehrern sprechen und dann auf die Hauptschullehrer eingehen, dann sollten Sie gerechterweise auch darauf hinweisen, dass ein Großteil dieser Lehrer Grundschullehrer ist. Nur die wenigsten dieser Lehrer sind Hauptschullehrer.

     Abg. Ulrich Müller, CDU: Habe ich gesagt!

Sie haben über miserable Zufriedenheitswerte gesprochen, die die GEW offenbar veröffentlicht hat. Ich lade sie deshalb ein, meine Schule zu besuchen. Sie dürfen gerne mit meinen Kollegen oder den Kollegen der Nachbarschule sprechen. Dann werden Sie feststellen, dass es auch sehr viele zufriedene Lehrer gibt.

Außerdem werfen sie uns eine mangelnde Sensibilität in diesem Bereich vor. Zumindest mir persönlich dürfen sie abnehmen, dass mir sehr wohl das Wohl meiner Kolleginnen und Kollegen, die die Schule verlassen müssen, am Herzen liegt. Ich denke, das werden auch alle anderen Rektorenkollegen sagen, die in dieser Situation sind. Ich weiß von den Schulämtern, dass sich diese, wenn es um Bewerbungen und Versetzungen geht, in erster Linie um diejenigen Kolleginnen und Kollegen kümmern und diese eine Perspektive aufzeigen, die eine Hauptschule verlassen müssen.

Vielen Dank!

     Beifall bei der SPD und den Grünen

Schreibe einen Kommentar