Personalpolitik der Landesregierung gefährdet die Innere Sicherheit

STUTTGART / REUTLINGEN. Viel Arbeit, wenig Personal, viele Überstunden und viel Unzufriedenheit – mit diesen Worten lässt sich die Situation der Polizei kurz beschreiben, wie der SPD Abgeordneten Klaus Käppeler bei seinem Besuch der Polizeidirektion Reutlingen von Polizeidirektor Franz Lutz, dem stellvertretenden Polizeidirektor Gerhard Lang und Kriminaloberrat Hans-Jörg Stemmler erfahren hat.

Tatsächlich gibt es bedingt durch eine gute soziale Kontrolle auf der Alb zwar weniger Kriminalität als in der Stadt, doch sind die Beamtinnen und Beamten im Einsatz in weiten Teilen überlastet. Gewalt und Kriminalität gibt es beispielsweise verstärkt unter Spätaussiedlern in Metzingen und Münsingen, die durch städteplanerische und städtebauliche Fehler in einzelnen Stadtteilen verstärkt angesiedelt wurden und deshalb kaum integriert werden konnten. Die Polizei wirkt dieser Entwicklung mit starker Präsenz vor Ort entgegen, doch fordern solcherlei Maßnahmen immer auch einen hohen Personaleinsatz.

„Ich finde es bedauerlich, dass so viele Beamtinnen und Beamte so viele Überstunden leisten, die dann weder abgebaut noch ausbezahlt werden können. Die Landesregierung muss ihre Personalpolitik bei der Polizei langfristig im Sinne einer nachhaltigen Gewährleistung der Inneren Sicherheit dringend überdenken!“, mahnt der Zwiefaltener Abgeordnete.

Beschäftigt ist die Polizei, wie Käppeler erfährt, nicht nur mit der aktiven Bekämpfung akuter Kriminalität, sondern auch mit zahlreichen Präventionsmaßnahmen im Bereich von Jugend- und Vereinsarbeit. So wurde jüngst das Programm „Festveranstaltung“ in den Gemeinden eingeführt, bei dem die Polizei zusammen mit den Vereinen Strategien entwickelt, Jugendliche zur Einhaltung des Jugendschutzgesetzes zu motivieren. Landrat und Polizei wollen in diesem Zusammenhang einen Förderverein für Prävention gründen, um den finanziellen Rahmen für erfolgreiche Projekte wie das „Streetsoccer-Turnier“ zu sichern. Sehr wichtige Aufgaben, für welche die Polizei aber kein Personal erhalten hat oder erhalten wird.

Trotzdem wird das Land bis 2009 durch die Erhöhung der Dienstzeit auf 41 Stunden rund 800 bis 900 Stellen bei der Polizei abbauen, berichten Lutz, Lang und Stemmler. Dazu sammeln die 460 Schutzpolizisten im Kreis durchschnittlich 20 Überstunden und die 80 Kriminalbeamten durchschnittlich 120 Überstunden pro Jahr, die durch immer neue arbeitsintensive Einsätze weder abgebaut, noch ausbezahlt werden können. Rein rechnerisch fehlen der Kriminalpolizei damit etwa acht Stellen, die vom Land nicht besetzt werden.

Wie der Abgeordnete erfährt, rechnet die Polizei nach der Landtagswahl außerdem mit einer Erhöhung der Pensionsgrenze von momentan 60 Jahren auf 62-63 Jahre. Die Polizeidirektion äußert sich in diesem Zusammenhang besorgt über eine weitere Erhöhung des Altersdurchschnitts und den Einstellungsstopp junger Polizisten, der zur „Rentnerpolizei“ führen würde. Vielen älteren Beamtinnen und Beamten wäre der Übergang vom Schichtdienst in den Tagesdienst damit verweigert.

„Es ist mir unverständlich, wie der Ministerpräsident von der verminderten Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spricht und dann aber gleichzeitig gerade die älteren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in die Verantwortung nimmt“, kritisiert Käppeler.

Darüber hinaus müssen sich die Beamten immer neuen Herausforderungen und Aufgaben stellen: Spezielle Fortbildungen sind notwendig, um komplizierte Finanzströme oder Datenbearbeitungsprozesse nachvollziehen zu können. Der Ermittlungsaufwand für neue Deliktsformen wird dabei immer höher. Die neuen und sich permanent ausweitenden Aufgaben binden Personal, ohne dass dafür eine entsprechende Verstärkung erfolgt. Seit Jahren finden nur Aufgabenzuweisungen und interne Verschiebungen statt, die eigentliche Stärke der Polizei – und insbesondere der Kriminalpolizei – wurde dieser Entwicklung nie angepasst.

Hinzu kommt, dass die Aufstiegschancen völlig unbefriedigend  sind, so Lang, Lutz und Stemmler. Von 90 Polizeiobermeistern konnten im vergangenen Jahr nur drei Beamte zum Hauptmeister befördert werden. Auch die Räumlichkeiten im Revier in Münsingen bereiten der Polizeidirektion Sorgen: Ein Anbau oder Umzug in das ehemalige Landwirtschaftsamt wird derzeit jedoch geprüft.

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