Wie funktioniert eine regionale Schulentwicklung?

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Wir debattieren heute einen Antrag der CDU aus dem August 2012. Das ist zweieinhalb Jahre her. Dabei wirft der Antrag Fragen auf, deren Antworten die CDU eigentlich längst im Rahmen des bereits abgeschlossenen Gesetzesvorhabens zur Regionalen Schulentwicklung gehört haben sollte.

Die Antwort auf einen erheblichen Rückgang der Schülerzahlen, vor allem im ländlichen Raum und die Antwort auf ein verändertes Schulwahlverhalten kann nicht in einem Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem bestehen.

Abg. Georg Wacker CDU: Aber durch ihre Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung!

Die Regionale Schulentwicklung gibt deshalb in dieser Frage klare Leitplanken für den Bereich der allgemeinbildenden Schulen. So sehen wir und nicht nur wir, sondern auch die ehemalige Kultusministerin Annette Schavan von Ihrer Partei die Zukunft in einem zweigliedrigen Schulsystem, bestehend aus einer Integrativen Säule und aus dem Gymnasium als zweiter Säule. Denn nur durch eine Ausweitung integrativer Schularten wie der Gemeinschaftsschule ist es überhaupt möglich, verlässlich sämtliche Schulabschlüsse in der Fläche anbieten zu können. Auch die Realschule wird in Zukunft dabei eine ganz wichtige Rolle spielen.

Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Nach der Weiterentwicklung.

Im Zuge der Regionalen Schulentwicklung ändert sich zudem der Blickwinkel – weg von der einzelnen Schulart hin zu den Schulabschlussmöglichkeiten. Das Schlüsselwort heißt: „Abschlussbezogen“!

Wir gehen diesen Schritt gemeinsam mit den Kommunalen Landesverbänden, auch wenn das vor Ort nicht immer leichte Entscheidungen mit sich bringt.

Abg. Georg Wacker CDU: Die waren aber gegen die Mindestschülerzahl.

Denn zukünftig gilt, dass einerseits nur noch Schulstandorte genehmigt werden, die sich dauerhaft über eine Mindestgröße von 40 Schülern in den Eingangsklassen auszeichnen.

Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Siehe Trochtelfingen! 40 Schüler!

Zugleich gilt, dass Schulträger, deren Standorte wiederholt keine Eingangsklasse mit der Schülerzahl 16 bilden können, aufgefordert sind, gemeinsam mit Nachbarkommunen eine Regionale Schulentwicklung anzustoßen und im Konsens zu verabschieden.

Hätten Sie sich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, mit der Problematik ernsthaft befasst, hätten Sie frühzeitig ein Instrument in die Hand genommen, das Ihnen und den Kommunen Hinweise auf notwendige und nicht notwendige Investitionen gibt. Wie anders, Herr Röhm, lässt es sich erklären, dass z.B. meine Nachbarkommune Hayingen noch vor rund 10 Jahren mit Unterstützung des Landes die Hauptschule aufwendig saniert hat, wenige Jahre später die Schule mangels Schüler geschlossen werden musste – noch vor Wegfall der verpflichtenden Grundschulempfehlung!

Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Die sind in Zwiefalten gut aufgefange worden!

Regionale Schulentwicklung ist besonders im ländlichen Raum eine Herausforderung an die kommunalen Mandatsträger, weil sie eine Abkehr von der eigenen Kirchturmpolitik fordert. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es sich lohnt, weil im Ergebnis eine nachhaltige Schullandschaft sichergestellt werden kann. Denn schlussendlich profitieren von der Lösung alle Beteiligten. Ohne eine Einigung bzw. ohne Gesetz wäre hingegen zu erwarten gewesen, dass Schulstandorte nur in größeren Städten auf Dauer abgesichert sein werden.

Regionale Schulentwicklungsplanung bedeutet auch für manchen Bürgermeister und für viele Gemeinderäte nackte Zahlen zur Kenntnis zu nehmen! Wenn schon kurzfristig nur noch 40 Kinder im Jahr in zusammen 3 Gemeinden geboren werden, dann haben die weiterführenden Schulen vor Ort ein Problem. Selbst wenn nur 10 Kinder ins Gymnasium der Nachbarstadt gehen, kann die Verbundschule aus Haupt- und Realschule nicht mehr jeweils einzügig betrieben werden. Da frage ich Sie: Welche Lösung haben Sie dafür parat – außer gegen Gemeinschaftsschulen zu polemisieren?

Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Eine Realschule, in der man beide Abschlüsse macht! Kein Problem!

-Guter Vorschlag. Danke!

Lieber Herr Traub, sie haben ja das Schulkonzept der CDU gerade vorgestellt. Da kann ich nur sagen: Gute Nacht, Baden-Württemberg. Die Art und Weise wie Sie das gemacht haben, tut schon weh: Eltern werden gegeneinander ausgespielt, der Minister hat nichts getan, unausgegoren, Augenwischerei, veränderte Übergangszahlen haben nichts mit der demographischen Entwicklung zu tun. Herr Traub, wo leben Sie denn? Sie sagen, Qualität spielt keine Rolle. Vom Fallbeil der 16 Schülerinnen und Schülern sprechen sie. Diese 16 Schüler sind keine Erfindung von uns. Diese 16 Schüler gab es zu ihrer Zeit schon. Wenn 16 Schüler keine Klasse gebildet haben, musste Klassen zusammengelegt werden. Das ist keine neue Erfindung von uns. Das möchte ich einfach einmal ein bisschen in Erinnerung bringen.

Und dann zu behaupten, dass es eine reines Schulschließungsprogramm wäre was von uns aufgelegt wurde —

Abg. Georg Wacker CDU: Wegen der Mindestschülerzahl 16!

Ich war kürzlich an einer Grundschule. Da habe ich gefragt: „Wie viele Schüler haben Sie denn?“ Da haben sie gesagt: „Wir haben 15 Schüler, aber vor wenigen Jahren hatten wir noch 100.“ Da habe ich gefragt: „Wie viele Schüler haben Sie denn im nächsten Schuljahr?“ Da sagte er: „25. Könnten Sie uns nicht eine Familienklasse genehmigen?“ Da habe ich gefragt: „Familienklasse? Habe ich noch gar nie gehört.“ – „So wie früher in der Volksschule, wo Klassen 1 bis 4 beieinander waren.“ Den Kollegen Schulleiter habe ich dann beiseite genommen und habe ihn gefragt: „Können Sie sich ernsthaft vorstellen, so zu unterrichten?“ Dann hat er etwas betrübt den Kopf gesenkt und hat gesagt: „Nein, ich kann es mir nicht vorstellen.“

Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Eine solche Schule haben Sie vielleicht schon besucht und ich auch! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP

Also Schulen zu erhalten, wie Sie es den Schulen vor Ort versprechen, geht eben leider nicht.

Deswegen: Die Forderung: „Lassen sie kleinen Schulen eine Chance“, ist schnell und leicht gesagt, aber mit Qualität hat es dann letztendlich nichts zu tun.

Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Können Sie was zu Trochtelfingen sagen?

Für das Thema Inklusionskonzept fehlt mir jetzt leider die Zeit. Da könnte ich mich auch noch ein bisschen austoben. Aber vielleicht macht es der Minister dann anschließend.

Vielen Dank!

Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen.

Kosten der Inklusion an Schulen

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

wir beraten heute einen Antrag vom November 2013. Die Welt hat sich inzwischen weitergedreht. Statt die vergangenen zwei Jahre in der Opposition für die Erarbeitung eigener Konzepte zu nutzen, mäkeln Sie lediglich an der Umsetzungssetzungspraxis der Landesregierung. Während es Ihnen bei der Einführung der Gemeinschaftsschule noch zu schnell ging, geht es Ihnen bei der Inklusion zu langsam.

Ich erlaube mir, daran zu erinnern, dass die UN-Konvention vom Bundestag bereits 2009 verabschiedet wurde und die CDU es tunlichst vermieden hat, das Thema ernsthaft zu bearbeiten. So wurde seinerzeit ein Schulversuch als Notlösung geboren, der die Schulen sich selbst überlassen hat, einen hohen Anspruch formulierte, aber keinerlei Ressourcen zur Verfügung stellte.

Stellt man dieser Tatsache die jüngsten Äußerungen von Frau Stolz gegenüber, dann kann man sich schon wundern, dass Sie, wie der dpa-Ticker vermeldete in der vergangenen Woche die Ressourcenausstattung für unzureichend halten.

Nach Ihrer damaligen Schulversuchsordnung durften Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zwar die allgemeine Schule besuchen; diese Schüler lösten jedoch nicht den Klassenteiler aus, denn formal blieben  sie – Kollege Poreski hat darauf hingewiesen – Schüler der Sonderschule.

Wir sind der Auffassung, dass es Inklusion zum Nulltarif nicht geben kann und Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sehr wohl zur Klassengemeinschaft zählen. Inklusion erfordert zusätzliche Lehrkräfte. Wir haben bereits 2014 zusätzliche 200 Sonderschuldeputate eingestellt und tun dies im Bildungsnachtrag für dieses Jahr erneut.

Inklusion erfordert Weitsicht und Inklusion ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb möchte ich heute unseren Kultusminister Andreas Stoch beglückwünschen. Ihm ist es – zusammen mit Finanzminister Dr. Nils Schmid ­ ein weiteres Mal  -nach Ganztagsschule und Regionaler Schulentwicklung-  gelungen, eine historische Vereinbarung mit den Kommunalen Landesverbänden zu treffen.

Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen.

Demnach wird das Land aufwachsend 30 Millionen freiwillig für erwartbare zusätzliche Kosten in den Bereichen Schulbau, Schülerbeförderung und Assistenzleistungen zur Verfügung stellen. Wir rechnen damit, dass sich in den kommenden Jahren die Nachfrage nach inklusiven Angeboten langsam erhöht. Wir setzen alles daran, dass es gelingt, dank qualitativ gut ausgestatteter Angebote Inklusion in der Schullandschaft als positiven Begriff zu besetzen.

An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen beider Oppositionsfraktionen, muss ich einmal an Ihr Gewissen appellieren. Wenn es Ihnen tatsächlich um die Kinder und um eine gelungene Inklusion in Baden-Württemberg geht, dann hören Sie endlich damit auf, bei den Menschen Ängste davor zu schüren.

Beifall bei der SPD.

Denn nichts anderes tun Sie mit Anträgen wie diesem. Wenn wir tatsächlich zu einem inklusiven Klima in der Gesellschaft kommen wollen, dann setzen Sie doch bitte alles daran, mit uns an einem Strang zu ziehen. Wenn wir schon keinen Schulfrieden in der Strukturdebatte erreichen, dann lassen Sie uns dies doch wenigstens bei der Inklusion versuchen – inhaltlich sehe ich kaum Differenzen. Also geben Sie sich einen Ruck, sagen Sie einfach: „Gut gemacht Minister Stoch, in dieser Frage stehen wir hinter Ihnen!“

Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen, Zuruf: Sehr gut!

Wir wissen wohl, dass der Begriff Inklusion auch Ängste hervorrufen kann, vor allem, wenn Lehrerinnen und Lehrer sich nicht ausreichend darauf vorbereitet fühlen.  Aus diesem Grund haben wir die Lehrerausbildung in diesem Punkt erweitert und werden in den kommenden Jahren den Bereich der Fortbildungen ausbauen. Wir möchten, dass alle Lehrkräfte und alle Schulen sich mit diesem Thema befassen. Inklusion ist Aufgabe aller Schulen! Und alle angehenden Lehrkräfte sollen sich in ihrer Ausbildung mit dem Thema auseinandersetzen – theoretisch und praktisch!

Lassen Sie mich zum Schluss all jenen Kolleginnen und Kollegen der allgemeinen Schulen und der Sonderschulen herzlich danken, die seit Jahren mit all ihrer Kraft Inklusion leben. Ich kann Ihnen aus meiner persönlichen Erfahrung als Schulleiter berichten, dass Inklusion gelingen kann – man muss sich nur darauf einlassen.

Vielen Dank!

Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen

Was geschieht mit den Lehrern einer Schule, die es nicht mehr geben soll?

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Vor zwei Tagen, am 2. Februar 2015, hat der baden-württembergische Kultusminister Andreas Stoch die vierte Tranche der Gemeinschaftsschulen im Land bekannt gegeben.

     Abg. Helmut Walter Rück, CDU: Ich habe gedacht das war am Freitag vorher
     schon geklärt.

Den bisherigen 209 Gemeinschaftsschulen im Land folgen zum Schuljahr 2015/16 weitere 62, darunter nicht nur Haupt- und Werkrealschulen

     Abg. Georg Wacker, CDU: 90%!

sondern auch Realschulen.

Der Erfolg dieser von uns eingeführten Schulart, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, lässt sich auch an diesen Zahlen bemessen – und auch von Ihnen nicht mehr bestreiten. Abermals sind wieder viele Gemeinden mit CDU-Bürgermeistern darunter.

     Abg. Dieter Hillebrand, CDU: Ja, warum denn? – Abg. Georg Wacker, CDU: 
    Der rettende Anker!

Es scheint ein wenig so, dass Sie mit Ihrem Antrag einmal mehr und zunehmend hilflos versuchen, diese Schulart schlecht zu reden. Diesmal kommen Sie durch die Hintertür und unterstellen uns zweierlei: Wir schließen die Haupt- und Werkrealschulen (diese Behauptung ist nicht neu) und wir lassen die Lehrerinnen und Lehrer anschließend im Regen stehen. Ganz schön mutig angesichts der Tatsache, dass Sie während Ihrer Regierungszeit jahrelang die demographische Entwicklung missachtet haben.

    Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen

Hätten Sie den Mumm besessen, sich schon vor Jahren an die Regionale Schulentwicklung zu wagen, hätten auch die von Ihnen nun entdeckten Hauptschullehrerinnen und -lehrer etwas davon gehabt.

     Zuruf des Abg Dieter Hillebrand

Sie wissen ebenso gut wie wir, dass es nicht Parteiprogramme sind, die Schulen auslaufen lassen;

     Abg. Dr. Timm Kern FPD/DVP: Och!

es ist die Demographie, die den Haupt- und Werkrealschulen die Schülerinnen und Schüler nimmt, ebenso wie ein verändertes Schulwahlverhalten. Dies geschieht schon seit vielen Jahren und verstärkt in ländlichen Gebieten. Beispiele in meinem Wahlkreis sind Orte wie –Herr Glück kennt sie- Mehrstetten, Münsingen-Auingen, Hayingen – und auch in der Heimatgemeinde von Herrn Röhm –er ist gerade nicht da -, Gomadingen, gibt es keine Hauptschule mehr.
Die Abnahme der Schülerzahlen an diesen Standorten begann schon lange vor unserer Regierungsübernahme im Jahr 2011.
Inzwischen sind diese Schulen geschlossen und die Lehrerinnen und Lehrer kamen an benachbarten Grundschulen und Hauptschulen unter. Eine Kollegin aus Hayingen kam an der Realschule in Ehingen unter. Auch meine eigene Schule ist von dieser Entwicklung nicht ausgeschlossen: Jedes Jahr verliere ich eine Kollegin an die Grundschule, an die Hauptschule oder auch an die Gemeinschaftsschule. Sie sehen also, diese Lehrerinnen und Lehrer werden nicht „heimatlos“, sondern sie werden gebraucht!

Gleichwohl wissen wir, dass wir den Lehrerinnen und Lehrern verlässliche Perspektiven aufzeigen müssen. Dies tun wir auch. Erst kürzlich habe ich zu dieser Thematik einen Beitrag für die Zeitschrift der GEW verfasst. Haupt- und Werkrealschullehrer haben bereits heute die Möglichkeit, an eine Realschule oder an eine Gemeinschafsschule zu wechseln. Gerade die Realschulen, die künftig auch den Hauptschulabschluss anbieten dürfen, werden von der Erfahrung dieser Kolleginnen und Kollegen profitieren. Aber auch die Gemeinschaftsschulen, die ja durch eine heterogene Schülerschaft geprägt sind, bieten sich gerade hierdurch für einen Wechsel an. Diejenigen unter den Lehrerinnen und Lehrern, die sich weiterqualifizieren möchten, werden wir in diesem Wunsch unterstützen – natürlich muss sich dies dann auch in der Besoldung niederschlagen.

     Abg. Martin Rivoir, SPD: Genau!

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, von einer Fraktion, die den Namen Gemeinschaftsschule noch immer in Anführungszeichen schreibt, müssen wir uns nichts sagen lassen. Sie leben an der Realität vorbei, dies haben sie schon immer getan. Während Sie jegliche gesellschaftliche Weiterentwicklung verschlafen, stellen wir uns unterstützend hinter die tragende Säule unseres Bildungssystems: Die baden-württembergischen Lehrerinnen und Lehrer!

Noch eine Anmerkung zum Schluss. Herr Müller, wenn Sie von 43.000 Lehrern sprechen und dann auf die Hauptschullehrer eingehen, dann sollten Sie gerechterweise auch darauf hinweisen, dass ein Großteil dieser Lehrer Grundschullehrer ist. Nur die wenigsten dieser Lehrer sind Hauptschullehrer.

     Abg. Ulrich Müller, CDU: Habe ich gesagt!

Sie haben über miserable Zufriedenheitswerte gesprochen, die die GEW offenbar veröffentlicht hat. Ich lade sie deshalb ein, meine Schule zu besuchen. Sie dürfen gerne mit meinen Kollegen oder den Kollegen der Nachbarschule sprechen. Dann werden Sie feststellen, dass es auch sehr viele zufriedene Lehrer gibt.

Außerdem werfen sie uns eine mangelnde Sensibilität in diesem Bereich vor. Zumindest mir persönlich dürfen sie abnehmen, dass mir sehr wohl das Wohl meiner Kolleginnen und Kollegen, die die Schule verlassen müssen, am Herzen liegt. Ich denke, das werden auch alle anderen Rektorenkollegen sagen, die in dieser Situation sind. Ich weiß von den Schulämtern, dass sich diese, wenn es um Bewerbungen und Versetzungen geht, in erster Linie um diejenigen Kolleginnen und Kollegen kümmern und diese eine Perspektive aufzeigen, die eine Hauptschule verlassen müssen.

Vielen Dank!

     Beifall bei der SPD und den Grünen

Rede zum Entwurf einer Verordnung über die Arbeitszeit der beamteten Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg

Frau Präsidentin,

meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

das Bundesverwaltungsgericht hat anlässlich einer Verwaltungsstreitsache entschieden, dass künftig Regelstundenmaße von verbeamteten Lehrkräften nicht mehr durch eine reine Verwaltungsvorschrift festgelegt werden können, sondern durch Rechtsverordnung geregelt werden müssen. Dies und nichts anderes ist der Grund, warum wir uns am Ende des heutigen Plenartags mit diesem Thema befassen und auf Wunsch der CDU auch darüber sprechen.

Gestattet sei dieser Hinweis zu Beginn, da die CDU in ihrer Regierungszeit hierüber nicht öffentlich diskutieren wollte.

Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU

Die neue Arbeitszeitverordnung schreibt im Wesentlichen die Inhalte der bereits bestehenden Verwaltungsvorschrift fort.

Demnach werden auch zukünftig Lehrkräfte je nach Einsatzort eine unterschiedlich hohe Unterrichtsverpflichtung haben. Die Unterrichtsverpflichtung an den einzelnen Schularten wurde gegenüber den Vorjahren weder erhöht noch abgesenkt.

Auf zwei Änderungen gegenüber früheren Regelungen möchte ich im Folgenden dennoch kurz eingehen. Mit der Gemeinschaftsschule hat sich eine neue Schulart etabliert, die eine Ergänzung der Arbeitszeitverordnung erforderlich macht. Die nun vorgeschlagene Anpassung findet meine persönliche Unterstützung, denn diese drückt aus, dass an der Gemeinschaftsschule Lehrkräfte unabhängig ihrer Lehrbefähigung die gleiche Anzahl an Unterrichtstunden unterrichten. Diese Standardisierung auf eine einheitliche Unterrichtsverpflichtung ist konsequent und stärkt zugleich den Zusammenhalt im Kollegium. Eine doppelte Privilegierung von Gymnasiallehrkräften ist nicht einzusehen. Sie verdienen deutlich mehr Geld als ein Hauptschullehrer. Warum sollten sie dann auch noch weniger arbeiten?

Zuruf des Abg. Dieter Hillebrand CDU

Damit verbunden ist das klare bildungspolitische Signal, dass Lernprozesse auf unterschiedlichen Lernniveaus in den Klassenstufen 5 bis 10 einen vergleichbaren Aufwand für Lehrkräfte bedeuten. Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang die Haltung der CDU.

Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Schlüssig!

Bemerkenswert! Diese sorgte sich in der Sitzung des Bildungsausschuss um die Attraktivität der Gemeinschaftsschule und empfand die Neuregelung als Wettbewerbsnachteil. Ich nehme diesen Hinweis gerne als wichtiges Signal entgegen, dass sich die CDU endlich von ihrem Mantra entfernt, die grün-rote Regierung würde die Gemeinschaftsschule gegenüber anderen Schularten bevorzugen.

Zuruf des Abg. Georg Wacker CDU

 

Im Übrigen, Herr Wacker: Das Abstimmungsergebnis der Opposition in eben dieser Ausschusssitzung zum Entwurf der Landesregierung über die Arbeitszeit verbeamteter Lehrer erfolgte uneinheitlich und mit zwei Enthaltungen und zwei Gegenstimmen.

Abg. Georg Wacker CDU: Nicht zugestimmt!

 

Ich bin gespannt auf die heutige Abstimmung.

Es stellt sich nun die Frage, ob die Neuregelung für die Gemeinschaftsschule tatsächlich ein Wettbewerbsnachteil ist, geht es doch um die Anwerbung –Herr Wacker, Sie habe es ja angesprochen- von Gymnasiallehrern, die gegenüber den Kollegen am Gymnasium ein um zwei Stunden höheres Deputat erwartet. Die aktuelle Einstellungspraxis zeigt, dass dem nicht so ist. Über 2/3 der für das kommende Schuljahr ausgeschriebenen Stellen konnten bereits durch Lehrkräfte mit Gymnasialbefähigung besetzt werden. Noch offene Stellen werden bis zum Beginn des nächsten Schuljahres im Rahmen des Nachrückverfahrens besetzt werden. Die aktuelle Bewerberlage zeigt also, dass die Gemeinschaftsschule auch für Gymnasiallehrkräfte hoch attraktiv ist.

Beifall der Abgeordneten der Grünen und der SPD

Der zweite Punkt

Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU

der neuen Arbeitszeitverordnung, der in der Vergangenheit sehr intensiv diskutiert wurde, ist die Neuregelung der Altersermäßigung für Lehrkräfte. Als unmittelbar Betroffener kann ich sagen, dass ich die Neuregelung mittrage, denn die politische Botschaft ist unmissverständlich.

Zum einen bleibt die Altersermäßigung als ein wichtiges Instrument der Gesundheitsvorsorge für Lehrkräfte erhalten.

Ebenfalls gleich bleiben Umfang sowie die stufenweise Erhöhung – einzig der Beginn der Altersermäßigung wurde um zwei Jahre nach hinten verschoben.

Aus meiner Sicht ist die gewählte Anpassung an das zukünftige Pensionseintrittsalter ein tragfähiger Kompromiss, der das Instrument der Altersermäßigung absichert.

Die SPD-Fraktion wird der Verordnung über die Arbeitszeit der beamteten Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg in der vorgelegten Fassung zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Beifall der Abgeordneten der Grünen und der SPD

Rede zur Inklusion

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

Erst im Dezember wurde an derselben Stelle und zum selben Thema die Debatte geführt. Dies liegt nun gut einen Monat zurück. Dass ausgerechnet  Sie, die drängende schulpolitische Fragen teils über Jahrzehnte ausgesessen haben – ich denke nur an den Ausbau der Ganztagsschulen oder die Einführung einer Regionalen Schulentwicklung – dass ausgerechnet Sie nun von uns erwarten, dass wir binnen Monatsfrist die Inklusion abhandeln, das ist beinahe infam.

Es zeigt jedoch auch, wie Sie denken: Sie sehen das Thema Inklusion offenbar als eines an, das eben erledigt werden muss, das Sie möglichst rasch bürokratisch abhaken wollen. Schon in der Großen Koalition von 1992 – 1996 gab es auf Initiative der SPD-Fraktion an einigen Grundschulen einen Schulversuch zur Inklusion.

Den haben Sie still und heimlich beerdigt und erst mit der Ratifizierung der UN-Behindertenkonvention im Bundestag notgedrungen einen eigenen Schulversuch in 5 Schulamtsbezirken gestartet. Nun liegt der Bericht zum Schulversuch vor. Daraus aber zu schließen, dass jetzt mal einfach ein Gesetz daraus abzuleiten wäre   ist nicht möglich.

Die Aufgabe, vor die wir hier gestellt sind, geht  viel weiter, sie geht uns alle an: Inklusion ist eine Aufgabe, die alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft, sie muss in den Köpfen der Menschen ankommen.

Anlässlich der Debatte im Dezember haben Sie, Frau Dr. Stolz, uns vorgeworfen, Baden-Württemberg habe zu Ihrer Regierungszeit in der Poleposition gestanden und befinde sich nun in der letzten Reihe. Sie jedoch sprechen nur über die Rahmenbedingungen Ihres Schulversuchs. – Eine Außenklasse ist ein Schritt in die richtige Richtung – aber keine Inklusion!

– Wie kann man nur auf die Idee kommen, Kinder mit Inklusionsbedarf nicht auf den Klassenteiler anzurechnen? Was ist das für ein Verständnis von Inklusion? Ihr seid geduldet aber nicht gleichwertig!
– Haben Sie ernsthaft geglaubt, Inklusion funktioniert ohne zusätzliches Geld? Genau so sahen doch die Bedingungen Ihres Schulversuchs aus! Und die – mit Verlaub – sind unzureichend und nicht akzeptabel.

Deshalb, weil wir dieses Thema und die Bedürfnisse der Kinder ernst nehmen, werden wir mit Bedacht vorgehen und uns nicht wie Sie aus der Verantwortung stehlen.

Erste Schritte in die richtige Richtung sind wir bereits gegangen:

–      Inklusion wird Teil der Lehrerbildung für alle Schularten sein.

–      Wir werden die sonderpädagogischen Studiengänge erhalten.

–      Wir werden die Sonderschulen nicht abschaffen.

Mit jeder neuen Gemeinschaftsschule kommt eine neue inklusive Schule hinzu und selbstverständlich werden alle Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf hier auf den Klassenteiler angerechnet. Allein hier finden Sie schon Ihre Frage beantwortet „Wie kommt der Ausbau der Inklusion voran“!  – Ich sage: Gut!
Gut auch deswegen, weil alle Schulen des Landes auf der Grundlage der Schulversuchsbestimmungen inklusive Bildungsangebote weiter ausbauen können. Dies wird an vielen Schulen umgesetzt – auch an meiner eigenen – und Lehrerinnen und Lehrer von der allgemeinen Schule und von der Sonderschule machen erste gemeinsame  Erfahrungen. Hier wächst etwas, was Sie alleine mit der Verabschiedung eines Gesetzes nicht anordnen können: Verständnis und Toleranz!

In einem nächsten Schritt wird es nun darum gehen, sich gemeinsam mit den Kommunalen Landesverbänden auf eine für alle Seiten tragbare Lösung hinsichtlich der Ressourcenausstattung zu einigen. Auch wenn Sie das nicht gerne hören: Im Gegensatz zu Ihrer Regierungszeit ist es uns, namentlich Herrn Kultusminister Stoch, bereits zweimal gelungen, eine Einigung zu erzielen. Sowohl die Regionale Schulentwicklung als auch zuletzt der Ausbau der Ganztagsbetreuung ist im Schulterschluss mit den Kommunen erfolgt. Darauf sind wir stolz und ich bin sicher, dies wird auch hier gelingen.

Unsere Positionen beim Thema Inklusion sind klar und sie heben sich von Ihrem Schulversuch in wesentlichen Punkten ab:

–      Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf  zählen zum Klassenteiler.

–      Inklusion kann es nicht zum Nulltarif geben!

–      Die Eltern erhalten ein qualifiziertes Wahlrecht.

–      Der Unterricht muss zieldifferent organisiert werden (wie in der Gemeinschaftsschule!)

–      Gruppenbezogene Lösungen erlauben das Zwei-Pädagogen-Prinzip und helfen Ressourcen schonen!

Es gibt also Stand heute keinen ersichtlichen Grund, an der Umsetzung der Inklusion zu zweifeln. Wir werden – das haben wir bereits mehrfach betont – wir werden den Schulämtern für das kommende Schuljahr Eckpunkte an die Hand geben, mit denen sie arbeiten können. Nicht nur in den Modellregionen, sondern an allen Schulen im Land. Für 2015/16 kommt dann das Schulgesetz.

Sehr geehrte Herren der FDP, Sie missbrauchen die „Inklusion“ als parteipolitisch motiviertes Thema. Sie haben kein durchdachtes Konzept und wie immer keinen Finanzierungsvorschlag. Das wäre die Grundlage für ein ehrliches Angebot,  eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einzusetzen.  Ein zeitliches Ultimatum geht schon gar nicht. Einem solch vergifteten Antrag werden wir nicht zustimmen!

Und Sie allein, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, sind es, die hier ein ums andere Mal Ängste schüren und von unseren bisherigen Erfolgen in der Schulpolitik ablenken wollen. Dies wird Ihnen nicht gelingen. Dieses Thema, bei dem es um Menschen mit Handicaps geht, dieses Thema hätte mehr Substanz Ihrerseits, mehr Ernsthaftigkeit in der politischen Auseinandersetzung verdient.

Vielen Dank!