„Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau“

Die Ausgaben für die Hilfsprogramme in der Corona-Krise steigen in Milliardenhöhen, „das müssen unsere Kinder und Enkelkinder noch bezahlen“, fürchten viele. Doch stimmt das so wirklich? „Der Staat zeigt seine Stärke und wir haben die Chance mit einem Wachstum aus der Krise herauszukommen“, beruhigte Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion in einem Zoom-Meeting mit SPD-Landtagskandidat Klaus Käppeler und Bürgermeister Mike Münzing. „Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau“, zog er einen humorvollen Vergleich. Während diese vor allem im Blick habe, keine Schulden zu machen, gelten für den Staat andere Parameter.

„Wir denken anders über Schulden, es gut, immer einen Sockel davon zu haben.“ So lasse sich eine Staatsverschuldung durch ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt über Jahrzehnte hinweg marginalisieren und entscheidend sei immer die Schuldentragfähigkeit. Diese ist in Deutschland gut, machte er an Zahlen deutlich. Im Jahr 2000 lag die Zins-Steuer-Quote, das ist das Verhältnis von Zinsaufwendungen zu Steuererträgen, bei 18 Prozent, das sei die Regierungszeit von Kohl gewesen, außerdem war auch die Wiedervereinigung zu spüren. Im vergangenen Jahr lag die Quote bei drei Prozent. „Unsere Schuldentragfähigkeit ist viel leichter geworden“, so Binding. Ein Beispiel für die Marginalisierung seien beispielsweise die Schulden aus dem Ersten Weltkrieg: In Raten musste Deutschland diese 90 Jahre lang, nämlich bis ins Jahr 2010, abbezahlen – und schon seit Jahrzehnten reget dies niemand mehr auf, weil die Dimension so klein war.

Auch die Staatsverschuldung kann sich mit 70 Prozent im internationalen Vergleich sehen lassen, die USA liegen bei 130 Prozent, Japan sogar bei 230 Prozent.

Münsingens Bürgermeister Mike Münzing sieht dennoch gerade die Kommunen, aber auch Unternehmen vor großen Herausforderungen in den kommenden Monaten. „Wir dürfen die Schulden nicht relativieren“, betonte er, auch wenn er durchaus sieht, dass der Staat seine Handlungsfähigkeit bewiesen hat. Die Kommunen seien die Treiber der Investitionen und der Innovationen, „hier sehe ich dunkle Wolken aufziehen, wir brauchen Unterstützung, damit wir dem nachkommen können“. Um ein Finanzierungsproblem der Kommunen zu vermeiden, brauche es längerfristige Hilfen, Münzing könnte sich dabei eine Unterstützung für diejenigen vorstellen, die die Zukunftsfragen angehen. Binding betonte zum Abschluss, dass es richtig war und ist, so beherzt einzugreifen: „Es gibt nichts Schlimmeres, als im falschen Moment zu sparen, darum war ich noch nie ein Freund der Schuldenbremse“. Ziel müsse es während der Krise sein, die Liquidität der privaten Wirtschaft zu sichern mit Krediten, die zurückbezahlt werden und außerdem müsse man sich weiter um die Schwachen kümmern. Klaus Käppeler dankte für die plastischen Erläuterungen der Finanzpolitk und vor allem dafür, dass Binding den Teilnehmern ein wenig Angst genommen habe, dass die Schulden gar nicht so dramatisch seien.