Überlebenskampf einer Branche

Seit 16. Dezember haben die Friseure geschlossen. Doch viele Fußballer und Fernstehstars sind nach wie vor bestens frisiert. „Wie kann das sein?“  fragt Boris Aierstock, Obermeister der Friseurinnung Biberach. „War nicht die Rede von Solidarität und Zusammenhalt?“ Auch sonst hat er  SPD-Landtagskandidat Klaus Käppeler einiges zu berichten: von Existenzängsten und dem Überlebenskampf einer ganzen Branche.

Sicherlich: Promis, die sich privat die Haare schneiden lassen, erscheinen auf den ersten Blick wie ein Nebenschauplatz für eine Branche, in der derzeit viele ums Überleben kämpfen. Doch für Boris Aierstock, Obermeister der Friseurinnung Biberach mit jeweils einem Salon in Biberach und Zwiefalten, ist es weit mehr als das: „Fußballer und andere Stars haben doch auch eine Vorbildfunktion“, betont er. Daher ist es für ihn keineswegs  ein Kavaliersdelikt, wenn sich Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, nicht an die Verordnungen halten. „Die machen ganz offensichtlich etwas Illegales und das hat auch Symbolcharakter.“ Von Friseuren und anderen Branchen im Lockdown wird Solidarität erwartet. Doch viele andere sind  nicht bereit, diese zu erbringen.

 Die Friseursalons setzen seit Beginn der Pandemie Hygieneregeln um, sie haben beispielsweise in neue Trennscheiben investiert, haben Arbeitsplätze abgebaut, um Abstände zu halten und immer wieder desinfiziert. Vor einem erneuten Lockdown hat sie dies nicht bewahrt. Auch wenn es kaum nachgewiesen Infektionen gab, wie Aierstock betont. Er freut sich, dass trotzdem viele Kunden durchhalten, ohne sich illegal einen neuen Haarschnitt zu besorgen.

Wie es weitergeht für diese Branche? Das weiß derzeit wohl keiner so Recht. Klar ist aber, dass es für viele Betriebe ums Überleben geht. „Uns hat man quasi den Stecker gezogen“, sagt Aierstock und das zum zweiten Mal innerhalb von zehn Monaten. Im Frühjahr vergangenen Jahres floss die Unterstützung recht schnell und problemlos. Davon kann im zweiten Lockdown keine Rede mehr sein. Es müssen komplizierte Anträge gestellt werden und der Unternehmer selbst wird nicht für seinen Verdienstausfall entschädigt. Das, was er im Frühjahr bekommen hat, habe gerade einmal für den Krankenkassenbeitrag von ihm und seinen drei Kindern gereicht. Dieses Mal ist überhaupt kein Unternehmerlohn eingerechnet. Das heißt, die Unternehmer müssen ihr privates Vermögen aufbrauchen. „Manche werden das nicht lange durchhalten.“

Ihn ärgert auch, dass es in der Öffentlichkeit oft so dargestellt wird, als würden sie großzügig entschädigt. „Das stimmt einfach nicht.“ Auch seine 20 Angestellten trifft es hart. Die Minijobber bekommen nichts vom Staat, die Festangestellten erhalten zumindest 60 Prozent Kurzarbeitergeld. Was allerdings wenig ist, vor allem, weil ja auch das Trinkgeld fehlt.  „Den Rest lege ich selbst drauf, ich habe ja schließlich eine soziale Einstellung und trage Verantwortung“, sagt er. Etwas, das große internationale Unternehmen wie Onlineportale, die von der Corona-Krise profitieren, vermissen lassen. Sie müssen in Deutschland oftmals nicht mal Umsatzsteuer bezahlen. Auch an die Regierung richtet Aierstock diese Kritik. „Wir Friseure, der stationäre Handel  und die Gastronomie gehören zu den Verlierern der Pandemie und finden, dass die Solidarität hier nicht ausreicht“, sagt er deutlich. Denn irgendwann wird diesen mittelständischen Unternehmen auch die Luft ausgehen, mit verheerenden Folgen für die Wirtschaft, aber auch das soziale Leben der Menschen.  Es wäre wünschenswert, dass alle in unserem Land einen finanziellen Beitrag leisten, um durch die Krise zu kommen.