„Gemeinschaftsschule“

Danke Herr Rudolf, dass Sie mal alle Vorurteile, Halbwahrheiten und parteipolitisch motivierte Behauptungen zur Gemeinschaftsschule zusammengefasst haben.

Leider halten Sie an einem Status der Bildungslandschaft im Ländle fest, der von Eltern und Schülern, aber auch vielen Pädagogen, lange schon als überholt angesehen wird. Die Haupt/Werkrealschulen, an denen die reformunfähige CDU so lange festgehalten hat, haben trotz engagierter Lehrerschaft keine genügenden Schülerzahlen mehr!  Fakt ist: Übergang Grundschule –Hauptschule 1997 =37%; 2004 = 30%, 2010/11 gerade noch 24,3%! (Stat. Landesamt). Auch Versuche, wie in Bad Saulgau, über Bürgerentscheide die Gemeinschaftsschule gegen den Willen von Elternvertretern, Lehrern und Schülern dort zu verhindern, helfen da nicht weiter. (Südkurier 21.1.13) Wie Sie allerdings aus der Abstimmung bei 13000 Wahlberechtigten, nur 31% Beteiligung  und 2700 Neinstimmen insgesamt landesweit eine Zwei-Drittel-Mehrheit gegen die Gemeinschaftsschule konstruieren wollen, bleibt mir schleierhaft. 15 Km von Saulgau weg liegt Ostrach, dort war die Bewerbung des Schulstandorts erfolgreich und damit soll den Kindern die bestmögliche Schulausbildung gegeben werden. Lehrerkollegium und Verwaltung zeigen sich über die Entscheidung des Kulturministeriums in Stuttgart hoch erfreut.  So war es auch in landesweit 42 Starterschulen in 2012/13 sowie bei 87 neuen im Schuljahr 2013/14. Strikte Kriterien waren dazu – herausragendes pädagogisches Konzept -gesicherte Zweizügigkeit – räumliche Vorraussetzungen. Dass Baden – Württemberg bisher bei Bildungstests gut abgeschnitten hat ist nur die halbe Wahrheit, ignoriert wird, dass sich der hohe Anteil der sogenannten Risiko-Schüler/innen, die sich ohne oder auch mit einem Hauptschulabschluss immer schwerer am Arbeitsmarkt vermitteln lassen,  vor allem in der Hauptschule sammeln. Eltern tun seit Jahren alles, die Hauptschule zu vermeiden. Ob´s immer dem Wohl des Kindes dient? Die Entscheidung nach der 4. Klasse erzeugt Stress  und gewaltigen Druck – so soll Lernen Freude machen? Andere Bundesländer haben es uns längst vorgemacht und werden oft beim Wettbewerb „Beste Schule Deutschlands“ belohnt. Kultusminister Stoch: „Mit der Gemeinschaftschule haben alle Schülerinnen und Schüler durch längeres gemeinsames Lernen und individuelle Lernformen die Chance auf einen Abschluss, der ihren Begabungen und Fähigkeiten entspricht.“

Studien haben übrigens klar ergeben, dass sogar die starken Schüler, die in Lerngruppen ihr Wissen an die schwächeren vermitteln, weiter an Sozial- und Wissenskompetenz gewinnen. Und keiner wird zurückgelassen und fühlt sich als Loser der aufgibt. (Und oft sozial auffällig wird). In BW verlässt jeder 20. Schüler ohne Abschluss die Schule, wenig im Bundesvergleich, aber jeder einzelne ist zuviel.

In Trochtelfingen ist die Schulleitung der Werdenbergschule, genauso wie Verwaltung und Gemeinderat, überzeugt, dass wir unser Bildungsangebot vor Ort zukunftsfähig machen können. Am 20. Nov 2012 hat der Gemeinderat einstimmig als erste Stufe dem Antrag auf Einrichtung einer Ganztagsschule zugestimmt.  Alle Informationen sollen öffentlich auf den Tisch, dazu hatte Schulleiter H. Fees  Spitzenleute des Ministeriums eingeladen. Staatssekretär Mentrup beleuchtete das, durchaus schwierige, Erstellen  der  „Regionalen Schulentwicklung“ für die verschiedenen Schultypen mit allen Trägern und Betroffenen. Die 2. Runde bestritt am 5. 2. der zuständige Fachmann im Kultusministerium, Norbert Zeller, selbst Sonderschullehrer, mit „Chancen und Möglichkeiten der Gemeinschaftsschule“. Er machte  deutlich, dass die Landesregierung Wert auf Qualität legt und viele Kriterien vor einer Genehmigung  geprüft werden. Keine Schulträger wird gezwungen zur Gemeinschaftschule zu wechseln, die  den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 oder 10; den Realschulabschluss nach Klasse 10; oder das Abitur ermöglicht, sofern die Gemeinschaftsschule eine Sekundarstufe II anbietet.

“Wir werden aber keine Hauptschule schließen“ betonte er. Den Umstellungsprozess unterstützt das Land mit mehr Stunden. Bildungspläne orientieren sich vorläufig an der Realschule, ergänzt durch die Standards für Gymnasium, Hauptschule und Sonderschule.  Die Aus- und Weiterbildung der Lehrer wird überarbeitet. Wechsel zwischen Schularten sind möglich. Viele Details erläuterte er, auch kritische Fragen anwesender Lehrer und Eltern blieben nicht unbeantwortet. Klar ist auch mir, die Bildungslandschaft im Land ist gerade eine Baustelle, wie immer, wenn vieles gleichzeitig der veränderten Realität angepasst werden muß. Aber im Interesse unserer Kinder sollten wir die Scheuklappen wegwerfen um alle, die starken wie die schwachen Kinder, mitzunehmen – es ist IHRE Chance.

PS. : Der verbindlichen Schulempfehlung traure ich keine Minute nach – schon vor 20 Jahren bekam meine Tochter keine Empfehlung zur Realschule… heute Sonderschullehrerin, weil sie problemlos den Test absolvierte.

Helmut Mader
Gemeinderat in Trochtelfingen

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