Landesnaturschutzgesetz und Biosphärengebiet

PLENUM   101. Sitzung, 09. November 2005

TOP 5: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Naturschutzrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften

Drucksache 13 / 4768
Gesetzentwurf der Landesregierung

Frau Präsidentin
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Ich gebe es zu: Als wir hier in diesem Hohen Hause am 1. Juli 2004, also vor über einem Jahr über Perspektiven für die zukünftige Entwicklung des Truppenübungsplatzes Münsingen und über Naturschutz eben dort diskutierten, war mein Redebeitrag von mehr Skepsis geprägt, als er heute ist. Aber wer konnte damals ahnen, dass der langjährige Ministerpräsident aus dem Amt gedrängt würde und dass damit endlich der Weg frei wird, das Bundesnaturschutzgesetz in ein Landesgesetz umzusetzen! Dass es jetzt so zügig in die Umsetzung geht, ist zu begrüßen.

Unseren Antrag vom 19.04.2004, bei dem wir forderten:
„1. dem Landtag eine konkrete Planung für eine Unterschutzstellung des Gebietes
vorzulegen;
2. dabei den TÜP Münsingen als Schutzgebiet innerhalb eines größeren Schutzgebietes vorzusehen, z. B. eines Entwicklungsnationalparks oder eines Biosphärenreservates gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz“

haben Sie mit Ihrer Mehrheit abgelehnt. Wenn Sie heute nun diesen Forderungen nachkommen, so freut uns das. Noch mehr würden wir uns freuen, wenn Sie das so auch sagen würden!

Was bisher insbesondere von kommunaler Seite angedacht und vorangetrieben wurde kann sich sehen lassen: Von den Städten Münsingen und Bad Urach sowie der Gemeinde Römerstein die Erklärung, einer Ausweisung eines Biosphärengebietes zuzustimmen und unter Federführung des Landrates in Zusammenarbeit mit den Behörden den Projektantrag voranzutreiben.

Von Seiten des Landes wird auch agiert: Eine Lenkungskommission wurde eingerichtet und auch ein Fachbeirat hat schon getagt.

Alle sind sich einig: Hier handelt es sich um ein UNESCO – Schutzgebiet, von denen es in 57 Ländern weltweit 459 gibt. In dieser Modellregion kann aufgezeigt werden, wie Mensch und Natur sich weiterentwickeln. Die Menschen in unserer Region sehen die Ausweisung als Biosphärengebiet insgesamt positiv und als Chance. Sie sind durch das Landesprogramm PLENUM und das Bundesprogramm „Regionen aktiv“ mit der Entwicklung eines solchen Gebietes von „unten nach oben“ vertraut und haben verstanden, was Schützen durch Nützen bedeutet. Sie sind sich bewusst, dass eine landwirtschaftliche Nutzung in der Kernzone – 3% der Gesamtfläche – nicht möglich ist. Aber das ist nicht so tragisch, weil man da splitterbelastete Gebiete einplant, die ohnehin kontaminiert sind und die nicht von Munitionsresten befreit werden können.
Vor Ort sieht man die Chancen im Tourismus, die das Label „Einziges Biosphärengebiet in Baden-Württemberg“ als Markenzeichen mit sich bringen kann. Da Urlauber immer mehr Wert auf eine intakte Landschaft legen, kann sich die Schwäbische Alb mit diesem Alleinstellungsmerkmal weiter profilieren.
Ende dieses Sommers habe ich eine geführte Fahrradtour über den Truppenübungsplatz organisiert und ich sage Ihnen: Die Landschaft ist überwältigend, Sie können stundenlang unterwegs sein und merken nichts von Zivilisation und was am meisten beeindruckt: Sie können die Stille hören!

Nun ist die Verabschiedung eines Gesetzes eine Sache, die Umsetzung danach aber eine ganz andere.

Bei genauer Nachfrage steht das ganze Projekt unter dem Vorbehalt der Finanzierung. Ohne ausreichende Dauerfinanzierung wird das Projekt Makulatur bleiben: Nach ersten Berechnungen braucht es mindestens 10 hauptamtliche Kräfte, die den Platz pflegen und Besucherströme lenken sowie zusätzliche Gelder um Projekte durchführen zu können. Das heißt unter 1 Million Euro jährlich ist das Ganze nicht zu machen. Zur Finanzierung schwirren unterschiedliche Zahlen – und bei den Verantwortlichen unterschiedliche Vorstellungen und Forderungen umher.
Da wird von Landesseite gerne auf die Verantwortung des Bundes verwiesen. Die Grünen sprachen in ihrem Antrag vom Juli 2003 das Bundesprogramm für Naturschutzgroßprojekte an, die es beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) geben soll, der frühere Landrat Dr. Wais nannte in einer Pressemeldung vor ca. einem Jahr die Zahl 8 Millionen €.

Nun laufen die Überlegungen und wohl auch schon ein Antrag des Ministeriums für Ländlichen Raum und Landwirtschaft an die Landesstiftung, sich in eine Unterstiftung einzubringen, eine Unterstiftung, die jährlich 1 Million € abwirft, also ein Volumen von mindestens 20 Millionen haben sollte! Genaues weiß man nicht! Was zahlt der Bund? Was bringt das Land?

Wir fordern eine rasche Offenlegung dieser Zahlen und eine Klärung des rechtlichen Zustands. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Landesstiftung im Rahmen ihrer Möglichkeiten hier mitfinanziert. Aber man muss wissen, dass eine Unterstiftung deswegen eine rechtlich äußerst komplizierte Angelegenheit und schwierig zu konstruieren ist, dass eine Dauerfinanzierung nicht möglich sein kann, weil Staats- bzw. gesetzliche Aufgaben nicht durch die Stiftung erledigt werden dürfen. Ein dankbares Feld für Juristen und Steuerprüfer tut sich hier auf – Ausgang offen!

Deswegen muss ich – auch wenn wir als SPD – Fraktion die Neuordnung des Naturschutzrechtes insgesamt befürworten, meiner Forderung Nachdruck verleihen, die ich am 1. Juli vergangen Jahres an dieser Stelle gemacht habe:
Wir haben nun ein Konzept, jetzt fehlt noch das Entscheidende: das Geld.
Aber vielleicht hat ja der Ministerpräsident bei seinem angekündigten Besuch im Januar seine Schatulle dabei. Der von der Konversion gebeutelten Region ist das zu wünschen!

So genannte „Brennpunkt“ Hauptschule

PLENUM 96. Sitzung, 30. Juni 2005

TOP 8: So genannte „Brennpunkt-Hauptschulen“

Drucksache 13 / 2762
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Mit dem Antrag meiner Fraktion zu den so genannten „Brennpunkt-Hauptschulen“ beschäftigt sich dies Hohe Haus nach längerer Zeit wieder einmal mit der Hauptschule. Ich erlaube mir zur Hauptschule insgesamt zu sprechen, weil Sie zwischenzeitlich den viel positiveren Begriff „Schulen mit besonderer pädagogischer und sozialer Aufgabenstellung“ gefunden haben, der die problematische Situation dieser Schulart geschönt umreißt. Im Grunde genommen trifft diese elegante Beschreibung mehr oder weniger auf alle Hauptschulen zu. Dies kann weder Ihnen noch dem Ministerium entgangen sein, wenn Sie regelmäßig den Pressespiegel des Landtags aufmerksam durchblättern. Also ohne so genannt, nur noch  „Brennpunkt“ Doppelpunkt „Hauptschule“!

Bevor ich mich mit der Antwort der Landesregierung auseinandersetze, erlauben Sie mir an dieser Stelle allen Lehrerinnen und Lehrern, also meinen Kolleginnen und Kollegen an der pädagogischen Front, die an den so genannten „Brennpunkt-Hauptschulen“ unterrichten und betreuen – aber auch an allen anderen Hauptschulen, meinen aufrichtigen Dank und eine gehörige Portion Respekt für Ihr Wirken aussprechen. Sie sind es, die sich unter teilweise schwierigsten Bedingungen für die Ihnen anvertrauten Kinder einsetzen, trotz immer währender Frustrationen, trotz Kränkungen durch die Gesellschaft sich immer wieder aufrappeln, um den guten Anlagen, die in jedem Menschen schlummern, zum Erfolg zu verhelfen.
Auf das Gehalt und die Ferien angesprochen halten sich ja hartnäckig Vorurteile. Auf den Vorschlag, doch mal zu tauschen, möchte aber besonders dann niemand eingehen, wenn man erzählt, dass man an einer Hauptschule unterrichtet.

Deswegen gilt es diejenigen zu würdigen, die ihre aufopferungsvolle Aufgabe nicht als Job sondern als Berufung begreifen! Ich gehe davon aus, dass Sie mir hier nicht widersprechen, auch nicht von den Regierungskoalitionen. Und eigentlich dürften Sie dafür allesamt ruhig einmal Beifall klatschen.

Um von vorneherein der einfachen Ausrede zu begegnen, wenn nur die Opposition die Hauptschule nicht schlecht reden würde, dann gäbe es die Ablehnung in der Gesellschaft nicht – nach einer Untersuchung schicken nur noch 6 Prozent der Eltern ihre Kinder freiwillig und bewusst in die Hauptschule – möchte ich Ihnen nachfolgend Fakten auflisten, die Sie nicht länger ignorieren können und die Sie dringend dazu veranlassen müssten, auch über Strukturveränderungen nachzudenken – oder wenigstens offen nachdenken zu lassen, wenn Sie es selbst nicht können:

Obwohl es Hauptschulen unterschiedlichster Prägung gibt, städtische Hauptschulen sind anders als Hauptschulen auf dem Land, gilt der drohende Besuch einer Hauptschule bei fast allen Grundschuleltern als Stigma. Es wird alles unternommen, um ja nicht in der Hauptschule zu landen. Nachhilfeunterricht, Gespräch mit dem Beratungslehrer, die Gemeinsame Bildungsempfehlung oder noch die Aufnahmeprüfung. Wenn dann alles nicht geholfen hat, das Kind nun wohl oder übel in der 5. Klasse ist – wird es unbewusst oder bewusst von den Eltern, von Verwandten und Bekannten, von Mitschülern und Nachbarn bemitleidet, dass es die „Restschule“ besucht. Dabei wird dieses Wort ja nicht direkt benutzt, aber wenn die Grundschullehrerin die Eltern zu trösten versucht und sagt, es sei ja noch nicht alles verloren, man könne die Mittlere Reife ja später noch nachmachen, dann sagt das doch schon alles aus: Die Hauptschule verliert an Wert. Die Südwest-Presse schrieb am 15. März dieses Jahres unter der großen Überschrift „Die Krise der Hauptschule“: „Kaum Zukunft für das Sorgenkind!“

Meine Damen und Herren,
vor vier Jahren noch waren Sie hier der Meinung, es gäbe keinen Bedarf und keine Mehrheit für die Ganztagesschule. So wie Sie in dieser Frage hoffnungslos ins Hintertreffen geraten sind, so werden Sie es beim Thema Hauptschule wieder erleben, das prophezeie ich Ihnen. Lassen Sie das starre Festklammern am dreigliedrigen Schulsystem, ermöglichen Sie eine sechsjährige Grundschule und darauf aufbauend die 4 – jährige Regionalschule, in der die Schülerinnen nach ihren Fähigkeiten sowohl den Hauptschulabschluss als auch die Mittlere Reife erwerben können. In den neuen Bundesländern können Sie dies besichtigen: Wie wir erst vor kurzem in Thüringen gesehen haben, kommen immer mehr Schulen von der additiven Lösung ab – also der Trennung von Haupt- und Realschülern und wenden sich den integrativen Formen zu! Lassen Sie doch wenigsten mal Versuche zu und lehnen Sie dies nicht alles stur ab, wie vor kurzem unseren Antrag, gemeinsamen Unterricht an Verbundschulen zu ermöglichen. Über kurz oder lang werden Sie daran nicht mehr vorbeikommen. Ihr Juniorpartner in der Regierung zeigt sich da erfreulicherweise doch auch schon flexibler!

Alle Anstrengungen der Landesregierung haben nicht zum Stopp oder zur Trendumkehr geführt: Im Gegenteil. Sie haben mit IMPULSE den Hauptschulen einen guten Weg gezeigt. Sie haben mit LIPSA den Start in der Hauptschule verbessert – um allerdings nach einigen Jahren die zusätzlich gewährten Stunden wieder zu kassieren. Mit diesen Programmen haben sie freilich außerdem kaschiert, dass erfolgreiche Maßnahmen wie das Erweiterte Bildungsangebot, wie Arbeitsgemeinschaften, wie Stütz- und Förderunterricht nur noch auf dem Papier oder in Ihren Antworten auf unsere Anfragen stehen: In Wirklichkeit gibt es diese seit Längerem nicht mehr, man ist froh, den Pflichtunterricht noch recht und schlecht abdecken zu können.

Eine Ausnahme bilden die so genannten „Brennpunkt-Hauptschulen“: Dort gibt es an Ganztageseinrichtungen – fast alle in Württemberg – deutlich weniger in Baden – zusätzliche Lehrerstunden, durchschnittlich 22 Stunden pro Schule. Gut so.

Aber was diesen Schulen recht ist, muss den anderen billig sein. Im Zusammenhang mit der Antragstellung zum IZBB Programm fragten sich schon manche Schulen, warum sie nicht als „Brennpunkt-Schule“ eingestuft wurden. Denn sie haben erkannt, dass eine bessere Förderung der Schüler einerseits nur durch mehr Zuwendung und damit mehr Unterrichtsstunden und einen ganztägigen Unterricht mit Betreuung andererseits zu gewährleisten ist.
Auch wenn Sie dies statistisch nicht erfasst haben: Manches Hauptschulkollegium hat bei der Erarbeitung des pädagogischen Konzepts gerätselt, warum es an ihrer Schule keine zusätzlichen Stunden gibt, wo doch auch die unterprivilegierten Schichten überwiegen, wo doch auch ein schwieriges soziales Umfeld zu verzeichnen ist, wo es doch auch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit gibt, wo doch auch ein hoher Anteil an Ausländern oder Aussiedlern zu verzeichnen ist, wo doch auch viele allein erziehen oder wo es viele Schlüssel und Straßenkinder gibt.

Diese Kollegen würden sich gerne, wie es an Brennpunkt-Hauptschulen teilweise gelungen ist, auf den Weg machen, unterstützt auch durch Schulsozialarbeiter, die sich schwierigen Kindern annehmen können, die Abschluss-Schüler bei der Suche nach einem Beruf begleiten. Aber die Mittel für Schulsozialarbeit haben Sie ja leider gekürzt. Besonders betroffen davon sind vor allem Hauptschülerinnen und Hauptschüler, die es am schwersten haben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
vor kurzem hat der VBE (Verband Bildung und Erziehung) mit einer Pressemitteilung ein weiteres Problem drastisch beleuchtet: Überschrift: “Hauptschule darf nicht mehr Auffangbecken für gescheiterte Realschüler und Gymnasiasten sein.“ Sie sprechen von Durchlässigkeit, die aber in Wahrheit nur von oben nach unten funktioniert. Von 10 Schülern, die die Schulart wechseln, ist es gerade mal einer, der von der Hauptschule in die Realschule oder von der Realschule in das Gymnasium wechselt, für 9 dagegen bedeutet Durchlässigkeit Abstieg! Ich zitiere weiter aus der Pressemitteilung des VBE vom 13. Mai 2005: „Ein wichtiger Grund, einen Bogen um diese Schulart zu machen, die einst einmal wirklich die „Haupt“-Schule war, sei die Tatsache, dass sie zum Sammelbecken für Gutwillige und Schulunlustige, für verhinderte Gymnasiasten und gestrauchelte Schulabbrecher geworden sei.“ Und weiter heißt es: „Das sukzessive Aussortieren und Abschieben führe zu massiven Problemen im Unterricht der Hauptschule und schaffe vielerorts ein pädagogisches Klima, das am Selbstbewusstsein aller Betroffenen zehre und ein leistungsorientiertes Arbeiten zunehmend unmöglich mache.“ Aus eigener Anschauung kann ich diese Aussagen nur bestätigen!

Wen wundert es, wenn sich kaum noch junge Leute für den Beruf des Hauptschullehrers – um genau zu sein, den Beruf des Grund- und Hauptschullehrers mit dem Stufenschwerpunkt Hauptschule wählen?

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben den kleinen Hauptschulen eine Bestandsgarantie gegeben. Ich bin gespannt, wie lange Sie diese noch halten werden. Nicht nur ich vermute, nur bis zum 26. März des kommenden Jahres! Als ich vor 25 Jahren an meiner Schule zu unterrichten begann, hatten wir teilweise noch 2 parallele Jahrgangsklassen an der Hauptschule. Im kommenden Schuljahr besuchen gerade noch 4 Schüler die 5. Klasse, was bedeutet, dass wir zum ersten Mal 5 und 6 jahrgangsübergreifend unterrichten müssen. Und die Bevölkerungszahlen haben sich im Grunde genommen nicht verändert!  Wir werden das hinbekommen, wie andere Schulen auch, wenngleich ich nicht verstehe, warum diese 4 Schüler nicht mit den 16 Schülern gemeinsam unterrichtet werden können, die die Realschulklasse bilden! Eine andere Schule in der Region, in der schon bisher 5 und 6 sowie die Jahrgänge 7 und 8 gemeinsam unterrichtet wurden, wurden jetzt nicht wie im vergangenen Jahr 105 Stunden, sondern nur noch 70,5 Stunden zugewiesen. Selbst wenn dann auch noch die Abschlussschüler gemeinsam mit 7 und 8 unterrichtet werden, bedeutet diese Reduzierung das faktische Aus dieser Hauptschule: Jahrgangsübergreifendes Unterrichten funktioniert nur, wenn es weiterhin Möglichkeiten der äußeren Differenzierung z.B. in Englisch oder in Technik gibt. Und dafür braucht es Stunden!

In Ihrer Stellungnahme auf unseren Antrag finden sich keine Lösungen, geschweige denn Ansätze dazu, für die drängenden Probleme der Hauptschule. Ein bloßes „Weiter so“ reicht nicht. Das zeigt auch ein Artikel in der Schwäbischen Zeitung Biberach von gestern. Da berichtet ein Hauptschullehrer fassungslos, dass von 56 Abgängern der Hauptschule nur vier einen Ausbildungsplatz haben. Und die 52 anderen? Die sind Opfer Ihrer Bildungspolitik und gehen ohne Perspektive aus der Hauptschule.

Jeder von Ihnen sollte nur mal drei Tage eine solche Klasse am Ende des Schuljahres unterrichten müssen. Ich meine: Das würde so manchen Politikwechsel bei der Hauptschulfrage bei Ihnen bewirken!

Herzlichen Dank!

Zukunft der Bahnstrecke Schelklingen – Münsingen

Kleine Anfrage des Abg. Klaus Käppeler

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie ist der derzeitige Stand der Überlegungen hinsichtlich der Zukunft der Bahnstrecke Schelklingen – Münsingen?
  2. Was spricht für und was spricht gegen eine Weiterführung der Bahnstrecke durch die Ermstal-Bahn-AG ENAG?
  3. Wann wird voraussichtlich eine verbindliche Entscheidung über die Nutzung oder Stilllegung der Bahnstrecke getroffen?
  4. Mit welchen Beteiligten bzw. mit welchen Institutionen und Ämtern wurde über welchen Gegenstand gesprochen und welches Ergebnis wurde jeweils erzielt?
  5. Welchen Kriterien folgt der Entscheidungsprozess bzw. nach welchen Gesichtspunkten wird über Weiternutzung oder Stilllegung der Schienen entschieden und welche Rolle spielt dabei die Schülerbeförderung?
  6. Wie kann eine Ablehnung bzw. eine Entscheidung für die endgültige Stilllegung der Bahnstrecke begründet werden?

Stuttgart, 16. Dezember 2003

Käppeler SPD

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Unterrichtsversorgung

PLENUM 31. Sitzung, 16. Oktober 2002

TOP 9: Unterrichtsversorgung

SPD: Unterrichtsversorgung Drucksachen 13 / 371, 13 / 565
GRÜNE: Unterrichtsversorgung im Sonderschulbereich Drs. 13 / 1145
SPD: Erhebung zum Unterrichtsausfall Drs. 13 / 639
SPD: Unterrichtsausfall an baden-württ. Schulen, Drs. 13 / 1017

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Ministerin,

Die Situation an unseren Schulen und Ihre Aussagen dazu – die Kluft, die sich da auftut, wird immer peinlicher. Unterricht fällt inzwischen in einem Maße aus, dass alle bisherigen Rekordmarken übertroffen werden, Förder- und Ergänzungsstunden werden gnadenlos zusammengestrichen und viele Klassen platzen aus allen Nähten. Die PISA- Ergänzungsstudie hat gezeigt, dass die Personalsituation von den Schulleitungen nirgends so prekär eingeschätzt wird als in Baden-Württemberg. In 48,5 Prozent, also in fast jeder zweiten Schule ist das Lernen der 15jährigen nach Angaben der Schulleitungen durch Lehrermangel oder fachfremden Einsatz von Lehrkräften beeinträchtigt.

Hilfe suchend in der Not wenden sich immer mehr Schulleitungen, Lehrkräfte und Eltern sowie Schülerinnen und Schüler an uns. Sie wenden sich an uns, weil Sie zwar fast täglich neue Erfolgsmeldungen über Ihre Pressestelle vernehmen, Frau Schavan. Aber: Allein der Glaube, dass sich an unseren Schulen in Baden-Württemberg wirklich entscheidend etwas verbessert, der ist verloren gegangenen, Frau Ministerin!

Kein Schulleiter, keine Lehrerin, keine Mutter und erst recht nicht die Schüler glauben noch daran, dass sich unter Ihrer Amtszeit etwas ändert!

Als Sie im Bundestagswahlkampf groß auf Reisen waren, haben Sie überall in Deutschland, von Flensburg bis Friedrichshafen und von Plauen bis Pirmasens verkündet: Genug der Worte – wir wollen Taten von der Bundesregierung sehen. Jetzt nehmen wir Sie beim Wort: Genug der weiten Reisen – zurück an den Schreibtisch, Frau Schavan! Nachsitzen ist angesagt! Es gibt genug zu tun für Sie!

Unsere 3 Anträge und die 3 Antworten aus Ihrem Ministerium offenbaren die ganze Misere in der Schulpolitik, die Sie zu verantworten haben. 4 Punkte will ich herausgreifen:

Die Unterrichtsversorgung ist so schlecht wie nie zuvor!
 

Von Ihnen veranlasste Stichproben über Unterrichtsausfall an baden-württembergischen Schulen ergaben, dass der Unterrichtsausfall an den meisten Schularten so hoch ist wie nie zuvor!

Hier sind die Fakten, wie sie von Ihrem eigenen Ministerium erhoben wurden:

Unterrichtsausfall an Grundschulen: eine Steigerung von 40% innerhalb eines Jahres!

Unterrichtsausfall an Realschulen: ebenfalls 40% mehr Unterrichtsausfall innerhalb eines Jahres!

Unterrichtsausfall an Sonderschulen: eine Steigerung um 193%!

Das ist fast eine Verdopplung der ausgefallenen Stunden in nur einem Jahr. Gleichzeitig heißt es in der Bewertung Ihres Ministeriums. Ich zitiere wörtlich: „Die bisherigen Stichproben haben in etwa die gleich bleibenden Daten erbracht!“ Frau Schavan: Eine Verdopplung – das ist doch nicht „in etwa gleich bleibend“. Das wissen sogar diejenigen, die in Klasse 1 mit dem Rechnen beginnen.

Die Statistik zum Unterrichtsausfall soll abgeschafft werden, weil Ihnen die Ergebnisse nicht passen!
 

Wenn diese Zahlen über Unterrichtsausfall Ihrer Schulpolitik ein so erstklassiges Zeugnis ausstellen, wie Sie es darstellen, also ein Ruhmesblatt der Regierung sind, warum sollen dann in Zukunft keine Stichproben mehr zum Unterrichtsausfall gezogen werden? Der Grund ist doch klar: Diese Zahlen sind ein Armutszeugnis für Ihre Politik und deshalb sollen sie auch gar nicht mehr erhoben werden. Getreu dem Motto: Eine Statistik, die mir nicht gefällt, wird erst gar nicht mehr erstellt!

Ich möchte Sie nun nicht für schwindende Steuereinnahmen Ihres Kollegen Finanzministers in Haftung nehmen. Aber wie beurteilen Sie folgende Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt, ausgestellt vom Bildungszentrum Reutlingen-Nord: „Sehr geehrte Frau Thumm, ich bescheinige Ihnen, dass in unserer Klasse 8C in der Zeit vom 1.2. bis zum 17.05.2002 insgesamt 30 Unterrichtsstunden ausgefallen sind, die aus dem Stundenvolumen des Lehrerkollegiums nicht vertreten werden konnten.“

Mit Rechentricks versuchen Sie den Eltern vorzugaukeln, dass Sie tausende von neuen Lehrerstellen geschaffen haben und in großem Umfang zusätzlicher Unterricht stattfindet!
 

Angesichts der gigantischen Zahlen über steigenden Unterrichtsausfall ist es wirklich unglaublich, was Sie zu Beginn dieses Schuljahres veranstaltet haben: Über alle Kanäle suggerieren sie, die Unterrichtsversorgung sei besser als je zuvor. So zum Beispiel in einem Schreiben der Schulämter und Oberschulämter zu Beginn dieses Schuljahres an alle Elternbeiräte und Schulleitungen. 1.790 neue Lehrerstellen seien eingerichtet worden und in diesem Umfang finde zusätzlicher Unterricht statt. Von wegen! Viele dieser so genannten neuen Lehrer sind gar nicht zusätzlich neu an die Schulen gekommen. Im Gegenteil: Viele waren bereits letztes Jahr im Einsatz – zum Beispiel als Krankheitsvertretung. Wer letztes Jahr schon an der Schule war und jetzt dieses Jahr wieder da ist, der ist jetzt vielleicht wieder da, aber ganz sicher nicht neu an der Schule, Frau Schavan.

Die Klassen werden immer größer!
 

Die Schülerzahlen steigen weiter! An den Grundschulen hat Baden-Württemberg jetzt schon die schlechteste Schüler-Lehrer-Relation aller Bundesländer. Im neuen Schuljahr sind die Klassen vielerorts zum Bersten voll. Vor Ort heißt es, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Tatsache ist aber: Die Klassen an den weiterführenden Schulen werden im Land durchschnittlich um 10 Prozent größer. Auch an vielen Grundschulen verschärft sich die Situation, weil aufgrund einer völlig falschen Schul- und Personalpolitik nicht genügend Lehrkräfte vorhanden sind.

Sie sehen, von Ihren vollmundigen Ankündigungen bleiben nur die Worthülsen übrig. Wieder einmal!

Wenn Sie es nicht glauben wollen, hier ein Beispiel hier aus der Umgebung:

Da schreiben Schüler vom Albert-Schweitzer-Gymnasium hier aus Gundelfingen im Breisgau an die SPD-Fraktion. Ich zitiere wörtlich. „Aus vier kleinen Klassen mit durchschnittlich 24 Schülern, in denen unsere Lehrer die neuen Lehrmethoden gut anwenden konnten, werden auf Anweisung des Oberschulamts drei Riesenklassen mit jeweils 32 Schülern. Diese Zusammenlegung führt dazu, dass zum Teil in den Fachräumen der Schule nicht genügend Platz vorhanden ist. So haben im Chemiesaal nicht alle Schüler des naturwissenschaftlichen Profils Platz zum Sitzen.“

Das ist das Ergebnis Ihrer Schulpolitik – ganz praxisorientiert. Man stelle sich nur mal vor, der Herr Ministerpräsident würde die Anzahl der Regierungsmitglieder so vergrößern, dass Sie da drüben keinen Sitzplatz mehr hätten. Bin gespannt, ob Sie es schaffen würden, auch das noch als einen Erfolg ihrer Politik zu verkaufen.

Herzlichen Dank!

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Multimediaoffensive für die Schulen?

PLENUM 34. Sitzung, 14. Oktober 2002

TOP 11: Multimediaoffensive für die Schulen

Drucksache 13 /372 Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport

Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Die Veröffentlichung der PISA – Studie ist ein Jahr alt, und schon beginnt sie wieder in Vergessenheit zu geraten.

Zur Erinnerung:

95% der deutschen Lehrer haben einen Computer zu Hause, damit gehören wir zur Spitzengruppe in Europa: Wir belegen den 3. Platz!
Aber nur 42% nutzen ihn auch in der Schule!

72% der deutschen Lehrer haben einen Internetanschluss zu Hause. Auch damit liegen wir über dem EU – Durchschnitt !
Aber nur 25% nutzen es auch in der Schule !

44% der deutschen Schüler nutzen täglich den Computer zu Hause.
Aber nur magere 3% nutzen ihn täglich in der Schule.
Damit belegen wir den vorletzten Platz in der PISA – Studie!

Und hier noch eine Information, die im Zusammenhang mit der Multimedia – Offensive an Schulen eine nicht unwesentliche Rolle spielt:

60% der deutschen Schüler spielen überwiegend mit dem Computer, damit liegen wir im oberen Viertel im europäischen Vergleich, vor allem sind es die Jungen, die besonders Reaktionsspiele zum Zeitvertreib spielen.

Fazit der PISA – Studie: In der Nutzung von Computer und Internet haben deutsche Schüler besonders wenig Erfahrung. 

Eurobarometer 2001 + PISA-Studie!
Wirth/Klieme 2002 (PISA-Studie)

Meine Damen und Herren,

die Multimediaoffensive der Landesregierung kommt mir vor wie die Ankündigung von Angriffsfußball ohne eine Sturmspitze!

Haushalt

Im Jahr 2000 beschloss der CDU – Parteitag eine Multimedia–Offensive – berauscht vom Milliarden-Erlös des Verkaufs der EnBW: Jeder Schüler ab Klasse 7 sollte einen Laptop erhalten. Im Entwurf des Haushaltsplans 2002 / 03 fanden sich dann noch rund 50 Mio. € und Kultusministerin Schavan gab die neue Marschrichtung vor: Medienecken in den Klassenzimmern – für jeweils 10 Schüler ein PC !

Als es dann bei den Haushaltsberatungen zum Schwur kam, versagte ihr die Regierungsfraktion die Gefolgschaft und ließ sie im Regen stehen.

Sachkostenbeiträge

1997 hat das Land den Sachkostenbeitrag um umgerechnet rund 12,5 Mio. € erhöht, um die Kommunen in die Lage zu versetzen, ihre Schulen mit multimediafähigen Computern und mit Netzwerken auszustatten. Dieser Betrag reicht bei weitem nicht aus, schon gar nicht um Schulen zu vernetzen.

Vor ziemlich genau einem Jahr erfuhr die interessierte Öffentlichkeit vom Durchbruch: Ministerpräsident Erwin Teufel höchstpersönlich verkündete die Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden: Um 50 Mio. € wird der Sachkostenbeitrag zur Verbesserung der Medienausstattung an Schulen erhöht. Das hörte sich nicht schlecht an.

ABER Frau Schavan / Herr Saatssekretär Rau: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

Es drehte sich nicht um zusätzliches Geld, die kommunale Investitionspauschale wurde um keinen Cent erhöht. Und die Schulträger sind rechtlich nicht einmal verpflichtet, die Sachkostenbeiträge in voller Höhe unmittelbar für die Schulen zu verwenden! 

Meine Damen und Herren von der Regierungsbank: Sie reichen enorme Aufgaben an die Kommunen weiter, ohne für eine entsprechende Finanzierung zu sorgen.

Eine Ausnahme stellen allerdings die Beruflichen Schulen dar. Dort wurden in den vergangenen 2 Jahren allein rund 35 Mio. € in die Multimedia-Ausstattung investiert. Leider ist dies nicht Ihr Verdienst: Dieses Geld aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm für Berufliche Schulen wurde von der Rot-Grünen Bundesregierung bereitgestellt. Eine Freiwilligkeitsleistung und gleichzeitig eine Entlastung des Landes, die Sinn macht und die zeigt, welchen Stellenwert die Bundesregierung diesem Thema beimisst.

Lehrerfortbildung

Für die weiterführenden Schulen je ein Multimedia- und einen Netzwerkberater auszubilden, reicht nicht aus. Die Kolleginnen und Kollegen fragen Fortbildung nach, sie wollen häufiger den PC in den Schulen einsetzen. Erst wenn alle Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit dem Computer geschult sind, kann die einzelne Schule ihre eigene Konzeption entwickeln. Zu Recht hat Frau Schavan erkannt, dass die beste Ausstattung nichts nützt, wenn Lehrerinnen und Lehrer den Computer nicht im Unterricht einsetzen. Aber wenn Not am Mann bzw. an der Frau ist, haben wir in Baden-Württemberg ja immer noch die Landesstiftung. Leider schielte unsere Ministerin umsonst nach dem Füllhorn, weil – ich zitiere aus der Antwort des Ministeriums – „die Frage der Gemeinnützigkeit von Lehrerfortbildungen noch nicht abschließend geklärt ist“. Schade, denn es besteht ein dringender Bedarf! Bitte erinnern Sie sich daran, was ich eingangs sagte.

Und jetzt erzähle ich Ihnen aus der Praxis:

Multimedia- und Netzwerkberater fühlen sich alleingelassen und mit einer Stunde Ermäßigung übermäßig ausgenützt – überlegen Sie nur einmal, mit welchem Aufwand Ihre technische Unterstützung hier im Landtag geschieht und wie sie auch notwendig ist. Besonders dort, wo sich die Schulträger aus wirtschaftlichen Gründen nicht für ein einheitliches technisches Leitbild entschieden haben – wo also unterschiedliche Rechner in einem Netzwerk zusammengebunden wurden und wo keine professionelle Hilfe von außen bezahlt werden kann – besonders dort sind engagierte Kolleginnen und Kollegen völlig überlastet und frustriert.

Ich frage mich nach wie vor, weshalb zu den einheitlichen technischen Leitbildern noch nicht die „Thin-client-Lösung“ zählt! Ein Server, Arbeitsplätze mit Bildschirm und Tastatur, vernetzt mit entsprechender Software kosten deutlich weniger als hochgerüstete Einzelarbeitsplätze. Die einzige, die sich darüber richtig freut, ist die Computer – Industrie.

Ich fordere Sie auf, Herr Rau, in Ihrer Antwort nachher dazu Stellung zu nehmen – ich hatte dieses Thema schon in der Ausschuss-Sitzung angesprochen!

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das hochgejubelte Informations- und Kommunikationszeitalter hat seine Unschuld verloren. Ich hoffe nicht, dass es der Multimediaoffensive an Schulen so geht wie dem „Neuen Markt“ an der Börse. Es gibt ihn nicht mehr.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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