Die Geburtshilfe der Albklinik hat kreisweit einen guten Ruf genossen. Dennoch konnten für die scheidenden Belegärzte keine Nachfolger gefunden werden. Darum gingen 2018 die Lichter aus. Im April ist eine Hebammenpraxis in den Räumlichkeiten gestartet und kümmert sich um Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt. SPD-Landtagskandidat Klaus Käppeler hat sich von Hebamme Stefanie Sailer die Räume zeigen und das Konzept erklären lassen.
Anfang Mai 2018 wurde die Geburtshilfe in Münsingen geschlossen. Grund waren dabei keineswegs rückläufige Geburtszahlen. Ganz im Gegenteil: Mehr als 600 Kinder erblickten im Jahr 2017 in der Albklinik das Licht der Welt. Die Tendenz war seit Jahren steigend. Punkten konnte die Abteilung bei vielen Frauen aus dem gesamten Landkreis vor allem durch die persönliche, liebevolle Betreuung in dem eher kleinen Haus und dem Ruf, sehr viel Wert auf eine natürliche Geburt zu legen. „Geburtshilfe mit Herz“ war der Slogan, dem sich Hebammen, Kinderkrankenschwestern und Gynäkologen verpflichtet fühlten. Doch die Arbeitsbelastung für die beiden Belegärzte wurde sehr hoch, und als einer der beiden in Rente ging, blieb die Suche nach Nachfolgern erfolglos. Daran konnte auch eine Bürgerinitiative nichts ändern. Im Mai 2018 war die vorläufig letzte Geburt in der Albklinik. Der Zeitrahmen für die Suche nach Ärzten sei zu knapp bemessen gewesen, erzählt Hebamme Stefanie Sailer.
Derzeit sieht es auch nicht so aus, als ob die Rückkehr der Geburtshilfe auf kurze Sicht realistisch wäre. „Es fehlen Ärzte und jetzt auch Hebammen“, erzählt Stefanie Sailer. Sie hat schon als Hebamme in der Albklinik gearbeitet. Damals seien sie 14 Hebammen gewesen, ein großer Teil davon ist an umliegende Krankenhäuser gewechselt, nach Reutlingen, aber auch nach Nürtingen oder Ulm. Fachkräftemangel ist im Gesundheitssystem weit verbreitet und die Gründe dafür liegen unter anderem in der schlechten Bezahlung. „Wir machen unsere Arbeit gerne“, betont Sailer, aber die Löhne sind alles andere als üppig, oft kann man kaum davon leben. Engpässe sind deshalb an der Tagesordnung und besonders der ländliche Raum tut sich schwer, Ärzte und medizinisches Personal zu finden.
„Die tarifliche Bezahlung muss steigen“, fordert daher der SPD-Politiker Klaus Käppeler. Wer in der Pflege arbeitet, verdiene Anerkennung und das in Form von guten Löhnen, klaren Personalschlüsseln, besseren Arbeitsbedingungen oder dem Zugang zur Kinderbetreuung. „Applaus allein reicht nicht.“ Im Bereich der Geburtshilfe müsse der Versicherungsschutz für Hebammen bezahlbar sein. Hier liegen die Prämien nämlich so hoch, dass die Hebammen die meiste Zeit für die Haftpflichtversicherung arbeiten. Die Folge: Die Zahl der Hebammen, die Hausgeburten anbieten, nimmt seit Jahren ab. Auch in anderen Bereichen reicht die Anzahl der Hebammen kaum aus, um alle Schwangeren zu versorgen.
Darum war die Stadt Münsingen und der gesamte Bereich der Münsinger Alb glücklich, dass die Hebammenpraxis eine wohnortnahe Versorgung der Schwangeren und Wöchnerinnen wieder möglich macht. Sie ist zwar, gemessen an der vorherigen kompletten Geburtshilfeabteilung, keine perfekte Lösung, aber sie schließt große Lücken und es wird auch die Chance erhalten, die Geburtshilfe vielleicht doch einmal wieder zu eröffnen. Die Bildung dieses lokalen Gesundheitszentrums mit dem Schwerpunkt geburtshilflicher Versorgung in Münsingen wurde außerdem mit 150 000 Euro gefördert.
Eigentlich wollten die sechs freiberuflichen Hebammen, die die Praxis betreiben, im März mit der Arbeit in den Räumen an der Albklinik beginnen. Coronabedingt wurde es September und das Leistungsspektrum ist noch eingeschränkt. Babymassage oder ähnliches wolle man in Zeiten einer Pandemie nicht anbieten, die Geburtsvorbereitung oder Rückbildung wurde in die größere Zehntscheuer verlegt. Im Frühjahr wurden sie teilweise sogar online angeboten. Zudem können die Hebammen an den Wochenenden Schwangere untersuchen, bei denen dies zeitlich öfters nötig ist. „Damit entlasten wir auch die Krankenhäuser“, betont Stefanie Sailer. Es gibt Kursräume, einen Untersuchungsraum und ein Besprechungszimmer. Die Nachfrage in der Praxis läuft sehr gut, betont Stefanie Sailer.
Viele Frauen sehnen dennoch die Geburtshilfe zurück. Sie sind in Sorge, weil die Wege zu den Geburtsstationen nun um ein Vielfaches weiter sind. Dies ist auch der Grund, warum sich kein Geburtshaus ohne Gynäkologen in Münsingen etabliert wird. Die Wege bis die schwangeren Frauen in einem Notfall in ein anderes Krankenhaus verlegt werden könnte, sind zu weit. Mit bis 45 Minuten Fahrdauer kann hier gerechnet werden. Zu unsicher und gefährlich. Auch Klaus Käppeler ist es ein Anliegen, dass „eine flächendeckende, wohnortnahe und gute medizinische Versorgung für alle zu jeder Zeit da sein muss“.