(Abg. Friedlinde Gurr Hirsch CDU: Jetzt kommt eine Runde Betroffenheit!)
Der Titel dieser Debatte suggeriert: Die böse grün-rote Landesregierung hat eine Liste im Schließfach, auf der stehen die Schulen, die geschlossen werden sollen.
Ich sage Ihnen: Es gibt keine Rote Liste!
(Abg. Georg Wacker CDU: Ihr braucht ja Ressourcen! Irgendwoher müsst ihr die Ressourcen holen!)
Für Schulschließungen gelten nach wie vor die Regeln, Her Wacker, die sie über Jahre hinweg praktiziert haben, eingeführt und umgesetzt haben.
(Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Sie trocknen doch die Schulen aus!)
Die Schulschließungen vor Ort werden vor Ort beschlossen. Das heißt, sie haben sich aus der Verantwortung gestohlen. Der Kollege Lehmann hat das gerade gesagt. Dass das nicht sinnvoll ist, wurde auch schon ausgeführt. Interessant ist, jetzt nach vielen Jahren sind Sie in der Opposition und legen uns ein Konzept vor und sagen uns, wie wir es machen sollen.
(Zuruf von der CDU: Es wird auch einmal Zeit! Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Das sind gute Ratschläge. Sie wollen doch eine Politik des Gehörtwerdens! Nehmen Sie doch einmal Einfluss darauf! Strengen Sie sich doch einmal an!)
-Sehr interessant- Gute Ratschläge sind natürlich gut. Die nehmen wir gerne an. Wir hören sie.
Aber eines muss ich Ihnen jetzt entgegnen: In Ihrer Kampagne blenden Sie die demografische Entwicklung völlig aus. Bis um Regierungswechsel gab es auch schon in kleinen Orten Hauptschulen die ausgeblutet, die abgestorben sind. Herr Röhm, mein Kollege von der anderen Partei im Wahlkreis, weiß es:
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ich grüße Sie!)
In seinem Heimatort ging im letzten Jahr die letzte neunte Klasse aus der Schule heraus, und damit war die Schule ausgestorben. Daran hat Grün-Rot nichts gerührt, sondern dazu hat die Kinderzahl geführt. Wenn sie mal ein bisschen die Geburtenzahlen betrachten – ich schaue mir mal meine Region an; Herr Röhm kennt die auch-, dann sehen Sie, dass beispielsweise die Einwohnerzahl einer Gemeinde wie Trochtelfingen von 6 500 in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Die Geburtenzahl betrug vor zehn Jahren noch 100, im Jahr 2009, also vor vier Jahren, noch 61 und 2012 – also quasi im Moment – 45. Von 100 auf 45 zurück!
(Abg. Claus Schmiedel SPD: Was macht ihr den nachts? Abg. Hans-Ulrich Sckerl, GRÜNE: Schaut nicht so viel Fernsehen!)
Ja, genau!
Ähnliches gilt für die Nachbarstädte: Gammertingen 15% Rückgang, Burladingen, Hohenstein – dort, wo ich Schulleiter bin- ähnliche Entwicklungen. Einschulungen vor zehn Jahren um die 60, heute haben wir zwischen 30 und 40. Fast 50%, in manchen Gemeinden mehr als 50% weniger Kinder!
Ich weiß nicht, ob Sie sich bewusst sind, welche Konsequenzen aus den Zahlen zu ziehen sind. Wenn es Ihnen nicht klar ist, dann gebe ich Ihnen eine kleine Nachhilfestunde. An meiner Hauptschule sind etwa ein Drittel der Schülerinnen und Schüler aus der Region gegangen. Der Kollege Köberle hat mich einmal gelobt, als ich ihm erklärt habe, dass ich die Hauptschule in meiner Region rette. Aber was passiert bei einer Gesamtzahl von 30 Schülern? Wenn ein Drittel von 30 Schülern die Hauptschule besucht, dann sind dies zehn Schüler pro Jahrgang. Damit kann man keine Klasse bilden, auch in Zukunft nicht. Selbst die Bildung einer Kombiklasse ist nicht möglich. Damit wird diese Schule nicht mehr lange existieren.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Einen Antrag auf Gemeinschaftsschule stellen!)
Auch für die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule ist diese Schule zu klein, Herr Zimmermann.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ja, eben!)
Wenn Sie mich anschauen, sehen Sie den Rektor einer erfolgreichen, aber strebenden Hauptschule.
Es ist also nicht die rückläufige Schülerzahl speziell an der Hauptschule dafür verantwortlich, sondern die rückläufige Geburtenzahl. Nicht die grün-rote Ideologie oder der Traum, dass alle gleich sein sollen, sondern die Demografie ist dafür verantwortlich. Ich bitte Sie, dass einfach einmal wahrzunehmen.
Die Folgen davon sind: Es gibt viele Schulen, die keine Zukunft mehr haben und deshalb geschlossen werden. Da können Sie tönen wie sie wollen – ich werde Ihnen, so oft Sie hier herantreten und uns den Vorwurf machen, immer wieder sagen: Es ist die rückläufige Geburtenzahl, die dazu führt, das keine Klassen mehr an den Hauptschulen gebildet werden können.
Ich frage Sie: Wo waren Ihre Planungen, die Schülerinnen und Schülern im ländlichen Raum eine Perspektive auf einen Schulbesuch in Heimatnähe geboten haben? Was habe Sie unternommen, um das alles zu begleiten und zu steuern? Nichts! Sie habe es laufe lassen. Mich ärgert, dass Sie heute mit Ihrer Kampagne durch die Gegend rennen und den Leuten erzählen: „Früher war alles gut, du die bösen Grün-Roten machen alles kaputt!“
(Abg. Friedlinde Gurr Hirsch CDU: Sie machen es doch auch kaputt! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Was wahr ist, ist wahr! Das muss man doch sagen!)
So ist es, genau.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das sagen uns aber die Lehrer, das sagen nicht wir!)
Heute wollen Sie die Realschulen retten. Ich sage Ihnen als Hauptschullehrer: Über Jahre hinweg sind Sie durch die Gegend gelaufen und haben gesagt: „Wir müssen die Hauptschule retten“ Wer rettet heute die Hauptschule? Sie nicht mehr.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Und Sie machen sie kaputt! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Wenn die CDU als Retter kommt, wird es gefährlich! – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)
Noch ein kurzer Hinweis zum GEW-Gutachten. Dieses GEW-Gutachten, das Bargel-Gutachten, bietet einen Hinweis auf die künftige Bevölkerungsentwicklung und darauf, welche Möglichkeiten es gibt, weiterhin Schulstandorte zu halten. Die Behauptung, dass die darin enthaltenen Zahlen nicht stimmten, habe ich mit den vorhin genannten Zahlen aus meiner Heimatregion in etwa wiederlegt. Unter Ziffer 5 des Gutachtens – „Fortschreibung des gegliederten Schulwesens“ – heißt es in bezug auf den Landkreis Reutlingen:
Diese Aussage wurde vor Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung getroffen. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis, und werden Sie ein bisschen sachlicher bei diesem Thema.
Vielen Dank!
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)