Herr Präsident, / Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,
es ist noch gar nicht so lange her, da konnte man von Seiten der damaligen Landesregierung zum Thema Ganztagsschulen Folgendes hören: „Die SPD will den Familien die Kinder wegnehmen und sozialistisch indoktrinieren.“ Das war während meiner ersten Legislaturperiode in diesem hohen Haus, also in den Jahren zwischen 2001 und 2006.
Damals hat im Bund Rot-Grün regiert und den Ländern Mittel zum Ausbau der Ganztagsbetreuung zur Verfügung gestellt. Am liebsten hätte die damalige Landesregierung das Geld gar nicht angenommen – es handelte sich immerhin um einen stolzen Betrag von ca. 500 Millionen Euro. Widerwillig, meine Damen und Herren von der Opposition, hat Ihre ehemalige Kultusministerin – Frau Schavan – die Mittel dann doch freigegeben, jedoch nach dem Windhundprinzip und ohne pädagogisches Konzept – nicht aber ohne sich selbst daran zu bedienen:
Mit dem Geld wurde auch das Landesgymnasiums für Hochbegabte in Schwäbisch Gmünd, Modellschule in Baden-Württemberg seit 2004, finanziert.
Heute nun scheinen Sie zumindest die politische Notwendigkeit des Ganztagsschulausbaus erkannt zu haben. Jedenfalls hat Herr Rülke via Zeitungsinterview verkündet, dass man „das Thema verschlafen“ habe. Daher wäre nun eigentlich der Zeitpunkt gekommen, an dem Sie sich für die damaligen Diffamierungen entschuldigen könnten.
Ihr vorliegender Gesetzentwurf, liebe Kollegen der FDP-Fraktion, zeigt jedoch, wie heuchlerisch diese vermeintliche Einsicht ist. Ihnen geht es offenkundig nur darum, Kinder aufzubewahren. Natürlich ist ein wichtiger Aspekt, die gute Betreuung im vorschulischen Bereich weiterzuführen. Wir dürfen berufstätige Eltern mit Schuleintritt ihrer Kinder nicht ins Leere laufen lassen. Aber hierin darf sich Ganztagsschule nicht erschöpfen! Wer tatsächlich möchte, dass an den hiesigen Schulen mehr Bildungsgerechtigkeit herrscht, der kommt ohne pädagogisches Konzept nicht aus.
Dazu gehören ganz selbstverständlich die Hausaufgabenbetreuung und die Förderung schwächerer Kinder, aber auch Zeiten zum Ausatmen, in denen die Kinder Kraft tanken können – ohne dass sie dabei alleingelassen wären – Rhythmisierung ist hier das Stichwort.
Wenn man Ihren Entwurf liest, könnte man jedoch glauben, Sie möchten an den Schulen eigentlich nichts ändern. Weiter im 45-Minuten-Takt, bis zu 10 Unterrichtsstunden an manchen Tagen.
Überhaupt glänzt Ihr Gesetzentwurf vor allem im Bereich des Ungefähren. Das, was Sie uns immer vorwerfen, vollführen Sie hier par excellence: Jeder darf alles, es gibt keine Vorgaben, keine Grenzen und vor allem: Es ist nichts durchfinanziert!
Sie machen eine Rechnung mit mehreren Unbekannten, wenn Sie beispielsweise keine Einschränkung im Sinne eines Haushaltsvorbehalts vorsehen: Für alle Schulen und Schularten besteht laut Ihres Entwurfs ein Anspruch auf Genehmigung. Konkrete Zahlen, was dies kosten und vor allem wie es finanziert werden soll, sucht man vergebens. Sie argumentieren einzig und allein mit der demographischen Rendite.
Unsere Minister Stoch und Schmid haben hier seriöser gearbeitet: Das Ganztagesprogramm wird vorbehaltlich der entsprechenden Mittel im Staatshaushaltsplan realisiert. Wir fahren auf Sicht, Sie im Nebel!
Und noch weitere Oberflächlichkeiten finden sich in Ihrem Gesetzentwurf:
– Dass die Aufsicht beim Mittagessen der Schule – also dem Land – obliegt, wird ohne Ressourcenauswirkung dargestellt.
– Sie wollen weitere Mittel für zusätzliches, also das bereits erwähnte auch ehrenamtliche Personal, zur Verfügung stellen. Auch das ist nicht in der Ressourcenberechnung dargestellt.
– Sie verweisen auf Professor Klemm, der von einem 15-20 %igen Ausbau der Ganztagsschulen ausgeht. Schwarz-Gelb ging aber von einem Ausbau von 40 % der Schulen aus. Sie fallen also in Ihrem Gesetzentwurf deutlich hinter Ihre eigene Position zurück!
Im Gegenzug dazu werden wir den Schulversuch, unter dem einige Schulen schon seit 45 Jahren gelaufen sind, beenden. Vor diesem Hintergrund kann man schon ungeniert von einem historischen Schritt sprechen, Städtetagspräsidentin Barbara Bosch nannte es gar einen „Meilenstein in der Bildungspolitik“. Selbst der Gemeindetagspräsident und Christdemokrat Roger Kehle hat festgestellt, dass unsere Einigung mit den Kommunalen Landesverbänden mit der schwarz-gelben Vorgängerregierung nicht zustande gekommen wäre.
Wo Sie im Vagen bleiben, werden wir konkret und vor allem: Wir verbessern die Ausstattung der Schulen deutlich im Vergleich zur aktuellen Situation:
So hat beispielsweise eine Ganztagsgruppe, die an vier Tagen je acht Stunden an der Schule ist, bislang 8 zusätzliche Lehrerwochenstunden erhalten, künftig werden dies 12 sein. Hier haben wir Tatsachen geschaffen, mit denen die Schulen rechnen können.
Es wird nach wie vor eine verbindliche und eine Wahlform geben, die Schulen dürfen sich an drei oder vier Tagen, jeweils sieben oder acht Stunden täglich für das Ganztagsangebot entscheiden und pro genehmigter Gruppe gilt eine Mindestgröße von 25 Kindern. Da diese Gruppen auch klassenübergreifend gebildet werden können, stellt dies gleichsam eine Stärkung des Ländlichen Raums dar. Auch kleine Schulen wie meine eigene werden so in die Möglichkeit versetzt, Ganztagsbetreuung anbieten zu können.
Frech, das kann man zusammenfassend sagen, ist die FDP, das muss man ihr lassen. Jahrelang hat man von der FDP zum Thema Ganztagsschulen nichts gehört. Schon gar nicht, dass sie etwas anderes wollte als die CDU. Kaum in der Opposition, legt man aber mit großem Gebaren einen Gesetzentwurf vor, der vor allem eines suggerieren soll: „Seht her, wir waren schon immer dafür – liberal wie wir sind.“ Das ist bequem, zumal diese Gesetzesinitiative keine grundlegende Neuerung beinhaltet und mehr oder weniger elegant die Finanzierung ausklammert. Für die Schülerinnen und Schüler in diesem Land ist dies aber entschieden zu wenig und daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.
Vielen Dank!