Klaus Käppeler, SPD-Landtagsabgeordneter
Geschichte kennen heißt die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten können. Diesem Anliegen widmet sich das Samariterstift Grafeneck mit ihrer Gedenkstätte. Grafeneck und meine Heimatgemeinde Zwiefalten verbinden die vorhandenen Betreuungsangebote für behinderte Menschen. Heute sind sie verbunden in ihrem Bemühen, Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen ein menschenwürdiges Leben in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Im Jahr 1940 endete diese Verbindung für 10654 Menschen mit dem Tod: Grafeneck wurde zu einer Tötungseinrichtung umgebaut, in der auch viele Menschen aus der psychiatrischen Anstalt Zwiefalten umgebracht wurden. Das heutige Zentrum für Psychiatrie diente zudem als Zwischenstation für Behinderte, die aus anderen Einrichtungen aus dem süddeutschen Raum hierher verlegt wurden. In grauen Bussen mit verdunkelten Scheiben wurden sie dann nach Grafeneck gefahren und dort vergast und verbrannt.
Die Perversität und unglaubliche Menschenverachtung kommt verstärkt dadurch zum Ausdruck, dass unter dem Deckmantel “Landespflegeanstalt“ systematisch Massenmord betrieben wurde und diese Einrichtung als Modell für die späteren Vernichtungslager entwickelt worden ist.
In einer Zeit, in der wieder laut über den ökonomischen Wert eines Menschen nachgedacht wird, ist es wichtig und richtig, dass Einrichtungen wie das Samariterstift Grafeneck mit ihrer Arbeit deutlich machen, dass jeder Mensch ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat – so wie es in unserem Grundgesetz verbrieft ist. Wer sich mit den Bewohnern zum Beispiel im Schlosscafé unterhält wird schnell feststellen, dass eine Behinderung nicht automatisch Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben bedeutet, sondern dass jeder Einzelne seine eigene persönliche Lebensgeschichte hat.
Meine Glückwünsche zum 75. Jahr des Bestehens verbinde ich mit der Hoffnung, dass das Samariterstift Grafeneck auch die nächsten Jahrzehnte als positives Beispiel für ein menschliches Miteinander stehen wird. Die Gedenkstätte für die Opfer von 1940 wird uns und zukünftige Generationen immer daran erinnern, dass jeder aufgerufen ist, sich persönlich für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen.