Umgang mit der gestiegenen Heterogenität an den Realschulen

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Seit die CDU hier im Land vor nunmehr fast vier Jahren die Oppositionsbänke beziehen musste, hat sie die Realschule für sich entdeckt. Seither lässt sie keine Gelegenheit aus, die Arbeit an den Realschulen zu loben –das darf sie- und lauthals nach mehr Unterstützung für diese Schulart zu schreien – so auch mit ihrem Antrag aus dem Januar 2014, über den wir uns heute austauschen dürfen.

(Zwischenrufe der Abg. Peter Hauk und Karl Zimmermann, CDU)

Wenn man bedenkt, dass die CDU vor unserem Regierungsantritt 2011 genügend Zeit gehabt hätte, die Realschule so zu stärken, wie sie es nun von uns fordert, kommt man schon ins Grübeln. Während sie ihrem Lieblingskind Gymnasium ganze 10 Poolstunden angedeihen ließ, gab es keine einzige für die Realschulen. Das hat sich erst mit dieser Legislaturperiode und der Übernahme der Regierungsverantwortung durch uns geändert.

Aktuell bekommen die Realschulen 2,2, ab dem kommenden Schuljahr sogar 6 Poolstunden pro Zug. Frau Boser hat gerade ausgeführt, wie der Plan weiter aussieht.

Die von der CDU entfachte Diskussion kann also ungeniert als scheinheilig bezeichnen –heute Morgen haben wir über Sein und Schein schon ausführlich diskutiert-, auch vor dem Hintergrund, dass sie Stand heute kein abgestimmtes Konzept zur Weiterentwicklung der Bildungslandschaft präsentieren kann – im Gegensatz zu uns.

Scheinheilig ist auch die Behauptung, dass die Realschulen sich erst seit dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung mit Heterogenität auseinandersetzen müssen. Die Realschule war und ist seit jeher die Schulart mit der heterogensten Schülerschaft. Dort finden sich sowohl Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung, als auch jene, die es „gerade mal so“ geschafft haben, eine Empfehlung für die Realschule zu bekommen. So hat das 8-jährige Gymnasium der Realschule bis zu 1/3 Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung beschert. Und wenn in der Zeit von 1995 bis 2010 die Schülerzahlen an den Werkrealschulen von 40.000 auf 23.000 zurückgegangen sind, so werden sich manche hiervon auch an den Realschulen finden.

Damit kein falsches Bild entsteht von der Entscheidungsfindung der Eltern, stelle ich noch eine weitere Zahl in den Raum: Trotz Wegfall der Verbindlichkeit halten sich noch immer 90% der Eltern an die Grundschulempfehlung. Dies ist eine Zahl, die sich erfahrungsgemäß in den nächsten Jahren noch etwas nach oben einpendeln wird. Da bin ich sicher.

Auch lohnt in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Grundschulen im Land. Dort herrscht naturgemäß die größte Heterogenität, der die Lehrerinnen und Lehrer an vielen Schulen mit Wochenplanarbeit begegnen. Während einer oder zwei Stunden pro Schultag lernen die Kinder selbst organisiert auf unterschiedlichem Niveau mit unterschiedlichen Aufgaben.

Ich vermute, Ihnen kommt dies bekannt vor. Schade, dass die Kinder diese Lernform kaum an Realschulen oder Gymnasien vorfinden, wohl aber an der Gemeinschaftsschule. Wenn sie dann in die fünfte Klasse kommen, wird ihnen an manchen Gymnasien und Realschulen stattdessen erklärt, dass sie jetzt richtig lernen und den Kinderkram vergessen sollen. Kontinuität sieht anders aus.

Was die Zunahme der Sitzenbleiber angeht, möchte ich Sie doch bitten, die Kirche im Dorf zu lassen. Seltsamerweise haben ungefähr 180 Realschulen gar keine Sitzenbleiber, während andere Realschulen nach alt praktiziertem Muster aussieben. Es stimmt, dass sich die Zahl der Sitzenbleiber insgesamt erhöht hat, jedoch nicht auf astronomischem Niveau, wie Sie das die Menschen glauben machen wollen. Konkret reden wir hier von einer Zunahme von 0,7 auf 1,8 Prozent.

Wir nehmen die Zunahme gleichwohl sehr ernst und haben auch vor diesem Hintergrund unser Konzept zur Weiterentwicklung der Realschulen aufgesetzt. Dies wird selbstverständlich begleitet sein von Fortbildungsmöglichkeiten für die Lehrerinnen und Lehrer, die schon jetzt an einer Realschule unterrichten.

Als kleines Schmankerl am Rande darf ich Ihnen noch verraten, dass die Sitzenbleiberquote in Bayern höher ist als jene in Baden-Württemberg. Bayern ist jedoch das einzige westliche Bundesland, in dem die Grundschulempfehlung noch verbindlich ist.

(Zuruf des Abg. Friedrich Bullinger, FDP/DVP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU: Wenn Sie sich tatsächlich für die Realschulen interessieren, dann hören Sie damit auf, scheinheilige Debatten wie diese zu führen, sondern kehren Sie zur Sachlichkeit zurück.

Herr Kollege Wacker, sie haben vorhin einige Beispiele zitiert, wo Realschulen entsprechend protestieren. In einem Interview, einem Gespräch mit dem Realschulleiter Paul Geiselhart aus Ehingen –das ist einer der schwärzesten Wahlkreise, die wir in Baden-Württemberg haben-

(Zuruf des Abg. Georg Wacker, CDU)

heißt es – ich zitiere-:

„Uns geht es gut. Das sagt ein zufriedener Leiter der Realschule Ehingen.“

Vielen Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen)