Rede zur Aktuellen Debatte: Warum verschiebt die Landesregierung das Inklusionskonzept?

Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

als ich den Titel der Aktuellen Debatte gelesen habe, bin ich erst einmal erschrocken:

(Zurufe von der CDU: Och!)

Wir verschieben das Inklusionskonzept. – Aber dann fiel mir ein, was Sie vermutlich meinen: Wir verschieben die Schulgesetzänderung – ja, da haben Sie richtig gehört – nicht aber, und das ist ganz entscheidend, die Konzeptionierung, die Verabschiedung von Eckpunkten. Schauen wir uns einmal an, warum wir das Schulgesetz nicht wie geplant zum kommenden Schuljahr ändern können! Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, rühmen sich am laufenden Band, uns hier ein bestelltes Haus hinterlassen zu haben.

(Beifall bei der CDU und der FPD/DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr richtig!)

Erst vergangene Woche ließ sich Frau Dr. Stolz mit den Worten zitieren, die Vorgängerregierung habe die Inklusion bestens vorbereitet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD)

Ich nehme an, Frau Dr. Stolz, Sie meinen hiermit die fünf Modellregionen, in denen Sie den Schulversuch zur Inklusion eingesetzt hatten.

(Zuruf der Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU)

Kollege Poreski hat dazu bereits einige Takte gesagt.

Der Abschlussbericht dieses Schulversuchs liegt uns jetzt vor. Leider ist er nicht mit Zahlen unterfüttert. Das heißt im Klartext, dass uns Ihr Schulversuch nicht die notwendigen Rahmendaten für anfallende Kosten geliefert hat. Inklusion – das sagen sie selber – kann es aber nicht zum Nulltarif geben.

(zurufe der SPD: Aha!)

Aus eigener Erfahrung und aus Gesprächen mit zahlreichen Schulleiterkollegen weiß ich, dass gerade in Modellregionen die zugewiesenen Lehrerstunden bei weitem nicht ausreichend waren. Leider –das ist das Versäumnis Ihrerseits –  ist all das bisher jedoch  nicht quantifizierbar.

Der Generalsekretär schließlich, liebe Kollegen von der FDP, fordert von uns, zügig einen Finanzierungsplan vorzulegen. Sie wissen genau so gut wie ich, dass hier eine Einigung erzielt werden muss, die behutsam und im Schulterschluss mit den kommunalen Landesverbänden erfolgt. Dies ist nicht unmöglich, das hat unser Kultusminister bei der Regionalen Schulentwicklung gezeigt. Aber das funktioniert ganz sicher nicht im Hau-Ruck-Verfahren und über die Köpfe der Beteiligten hinweg. Ein Verhandlungsergebnis wird nicht besser, indem ich meine Position durch Zeitdruck schwäche. Dass Sie es einmal mehr sind, die unsere Reformen kritisieren, Sie, die jahrzehntelang nach der Vogelstraußmentalität gelebt und sich weggeduckt haben vor der Regionalen Schulentwicklung, vor der Einführung der Ganztagsschule und vor der Umsetzung der Inklusion, dass ausgerechnet Sie, die nichts getan haben, uns die bloße Verschiebung eines Gesetzes vorwerfen, das ist schon beinahe schamlos.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Wieso lesen Sie eigentlich so einen Schmarren ab?)

Durch die UN-Konvention hat sich der Druck auf die Kommunen erhöht, und wir haben vor zweieinhalb Jahren Passagen in unserem Koalitionsvertrag entsprechende verankert. Der Koalitionsvertrag ist entscheidend und nicht das Programm der Grünen.

Allein die Existenz dieses Vertrags hat übrigens seinerzeit die Beteiligten in eine Aufbruchsstimmung versetzt und schon im Vorfeld der Gesetzgebung für ein mutiges Mehr an Inklusion gesorgt. Wir nehmen den Auftrag, den der Bund von der UN bekommen hat, sehr ernst. In den für das kommende Frühjahr zugesagten Eckpunkten wird daher eine Vielzahl an bislang offenen Fragen geklärt werden. Es wird ein auf Beratung fußendes qualifiziertes Elternwahlrecht zwischen Sonder- und Regelschule geben. Inklusive Bildungsangebote werden dann aus pädagogischen aber auch aus organisatorischen Gründen in der Regel gruppenbezogen angeboten. Dies schließt im Einzelfall jedoch auch Einzel- oder Kleinstgruppeninklusion nicht aus. Der zieldifferente Unterricht soll für die Primarstufe und die Sekundarstufe I eingeführt werden. Wir werden die Sonderschulen nicht abschaffen und wir schaffen auch das Lehramt für Sonderpädagogik nicht ab.

(Beifall des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU : Bravo!)

Wir wissen, wie wichtig die Diagnostik ist und legen daher großen Wert auf die Fachlichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vor allem aber werden wir die Pflicht zum Besuch der Sonderschule ablösen. Dieser letzte Satz, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt, was in diesem Land eigentlich notwendig ist.  Die Inklusion muss in den Köpfen der Menschen ankommen. Es muss der Normalfall sein, dass Kinder ein sonderpädagogisches Bildungsangebot an der Regelschule bekommen und die Ausnahme muss sein, dass sie eine Sonderschule besuchen. Ein Gesetz ist hierfür notwendiges Vehikel, das den rechtlichen Rahmen schafft, durch den Inklusion möglich wird. Das Gesetz allein ist aber nicht Inklusion. Genau dies wollen Sie den Menschen jedoch weismachen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

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