Rede zur Inklusion

Herr Präsident,
meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen,

Erst im Dezember wurde an derselben Stelle und zum selben Thema die Debatte geführt. Dies liegt nun gut einen Monat zurück. Dass ausgerechnet  Sie, die drängende schulpolitische Fragen teils über Jahrzehnte ausgesessen haben – ich denke nur an den Ausbau der Ganztagsschulen oder die Einführung einer Regionalen Schulentwicklung – dass ausgerechnet Sie nun von uns erwarten, dass wir binnen Monatsfrist die Inklusion abhandeln, das ist beinahe infam.

Es zeigt jedoch auch, wie Sie denken: Sie sehen das Thema Inklusion offenbar als eines an, das eben erledigt werden muss, das Sie möglichst rasch bürokratisch abhaken wollen. Schon in der Großen Koalition von 1992 – 1996 gab es auf Initiative der SPD-Fraktion an einigen Grundschulen einen Schulversuch zur Inklusion.

Den haben Sie still und heimlich beerdigt und erst mit der Ratifizierung der UN-Behindertenkonvention im Bundestag notgedrungen einen eigenen Schulversuch in 5 Schulamtsbezirken gestartet. Nun liegt der Bericht zum Schulversuch vor. Daraus aber zu schließen, dass jetzt mal einfach ein Gesetz daraus abzuleiten wäre   ist nicht möglich.

Die Aufgabe, vor die wir hier gestellt sind, geht  viel weiter, sie geht uns alle an: Inklusion ist eine Aufgabe, die alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft, sie muss in den Köpfen der Menschen ankommen.

Anlässlich der Debatte im Dezember haben Sie, Frau Dr. Stolz, uns vorgeworfen, Baden-Württemberg habe zu Ihrer Regierungszeit in der Poleposition gestanden und befinde sich nun in der letzten Reihe. Sie jedoch sprechen nur über die Rahmenbedingungen Ihres Schulversuchs. – Eine Außenklasse ist ein Schritt in die richtige Richtung – aber keine Inklusion!

– Wie kann man nur auf die Idee kommen, Kinder mit Inklusionsbedarf nicht auf den Klassenteiler anzurechnen? Was ist das für ein Verständnis von Inklusion? Ihr seid geduldet aber nicht gleichwertig!
– Haben Sie ernsthaft geglaubt, Inklusion funktioniert ohne zusätzliches Geld? Genau so sahen doch die Bedingungen Ihres Schulversuchs aus! Und die – mit Verlaub – sind unzureichend und nicht akzeptabel.

Deshalb, weil wir dieses Thema und die Bedürfnisse der Kinder ernst nehmen, werden wir mit Bedacht vorgehen und uns nicht wie Sie aus der Verantwortung stehlen.

Erste Schritte in die richtige Richtung sind wir bereits gegangen:

–      Inklusion wird Teil der Lehrerbildung für alle Schularten sein.

–      Wir werden die sonderpädagogischen Studiengänge erhalten.

–      Wir werden die Sonderschulen nicht abschaffen.

Mit jeder neuen Gemeinschaftsschule kommt eine neue inklusive Schule hinzu und selbstverständlich werden alle Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf hier auf den Klassenteiler angerechnet. Allein hier finden Sie schon Ihre Frage beantwortet „Wie kommt der Ausbau der Inklusion voran“!  – Ich sage: Gut!
Gut auch deswegen, weil alle Schulen des Landes auf der Grundlage der Schulversuchsbestimmungen inklusive Bildungsangebote weiter ausbauen können. Dies wird an vielen Schulen umgesetzt – auch an meiner eigenen – und Lehrerinnen und Lehrer von der allgemeinen Schule und von der Sonderschule machen erste gemeinsame  Erfahrungen. Hier wächst etwas, was Sie alleine mit der Verabschiedung eines Gesetzes nicht anordnen können: Verständnis und Toleranz!

In einem nächsten Schritt wird es nun darum gehen, sich gemeinsam mit den Kommunalen Landesverbänden auf eine für alle Seiten tragbare Lösung hinsichtlich der Ressourcenausstattung zu einigen. Auch wenn Sie das nicht gerne hören: Im Gegensatz zu Ihrer Regierungszeit ist es uns, namentlich Herrn Kultusminister Stoch, bereits zweimal gelungen, eine Einigung zu erzielen. Sowohl die Regionale Schulentwicklung als auch zuletzt der Ausbau der Ganztagsbetreuung ist im Schulterschluss mit den Kommunen erfolgt. Darauf sind wir stolz und ich bin sicher, dies wird auch hier gelingen.

Unsere Positionen beim Thema Inklusion sind klar und sie heben sich von Ihrem Schulversuch in wesentlichen Punkten ab:

–      Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf  zählen zum Klassenteiler.

–      Inklusion kann es nicht zum Nulltarif geben!

–      Die Eltern erhalten ein qualifiziertes Wahlrecht.

–      Der Unterricht muss zieldifferent organisiert werden (wie in der Gemeinschaftsschule!)

–      Gruppenbezogene Lösungen erlauben das Zwei-Pädagogen-Prinzip und helfen Ressourcen schonen!

Es gibt also Stand heute keinen ersichtlichen Grund, an der Umsetzung der Inklusion zu zweifeln. Wir werden – das haben wir bereits mehrfach betont – wir werden den Schulämtern für das kommende Schuljahr Eckpunkte an die Hand geben, mit denen sie arbeiten können. Nicht nur in den Modellregionen, sondern an allen Schulen im Land. Für 2015/16 kommt dann das Schulgesetz.

Sehr geehrte Herren der FDP, Sie missbrauchen die „Inklusion“ als parteipolitisch motiviertes Thema. Sie haben kein durchdachtes Konzept und wie immer keinen Finanzierungsvorschlag. Das wäre die Grundlage für ein ehrliches Angebot,  eine interfraktionelle Arbeitsgruppe einzusetzen.  Ein zeitliches Ultimatum geht schon gar nicht. Einem solch vergifteten Antrag werden wir nicht zustimmen!

Und Sie allein, werte Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, sind es, die hier ein ums andere Mal Ängste schüren und von unseren bisherigen Erfolgen in der Schulpolitik ablenken wollen. Dies wird Ihnen nicht gelingen. Dieses Thema, bei dem es um Menschen mit Handicaps geht, dieses Thema hätte mehr Substanz Ihrerseits, mehr Ernsthaftigkeit in der politischen Auseinandersetzung verdient.

Vielen Dank!